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Grace Cleave, alter ego der Autorin Janet Frame, wird gegen Ende des Londoner Winters zu einem Wochenende in Relham eingeladen von Philip Thirkettle (im echten Leben Geoffrey Moorhouse), Literaturkritiker, verheiratet mit Anne, einer Neuseeländerin. Nicht, dass Grace diesen Besuch unbedingt machen will, ihr Arm ist nur zu kurz, um die einmal eingeworfene Zusage wieder aus dem öffentlichen Briefkasten zu fischen.
In Relham ist es genauso kalt wie in London, Annes Vater, mit dem sich Grace über Schafkrankheiten hätte unterhalten können, ist in Edinburgh und die Familie hat zwei kleine Kinder. Grace ist im Zimmer von Annes Vater untergebracht, was ihre Neigung sich zurückzuziehen noch verstärkt: Hier finden sich lauter Erinnerungsstücke an ihre Heimat Neuseeland. Heimweh plagt sie während des ganzen Besuchs, Heimweh und das Gefühl, nicht dazuzugehören. Rückblenden, Lieder aus ihrer Kindheit, auf Bildern ertastete Szenen eines Lebens, aus dem sie fort gegangen und jetzt paradoxerweise wieder hinein gefahren ist.
Es sind nicht nur die Lieder, die diesem Stück erzählten Leben von Janet Frame eine so innige, fast schon intime Färbung geben. Es ist vor allem ihre unbändige Freude darüber, das eigene Wesen erkannt zu haben: Ein Zugvogel ist sie, doch wem sollte sie es sagen können? Bestimmt nicht Philip Thirkettle und seiner liebenswerten Frau. Der ganze Roman lebt von einer entwaffnenden Ehrlichkeit und der ratsuchenden Zärtlichkeit gegenüber dem eigenen erfühlten Unvermögen, sich zu öffnen.
Verena Auffermann nennt Janet Frame im Nachwort Die Biografie-Erfinderin: Sie verwandelt das Schwanken zwischen Innen und Außen, Vergangenheit und Gegenwart, Neuseeland und London in diesem und in vielen anderen ihrer Bücher in zarte Bilder, in eine neue, erfundene Welt poetischer Prosa.
Susanne Rikl. München