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Autor
Prudhomme, Sylvain

Ein Lied für Dulce

Untertitel
Roman. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer
Beschreibung

Guinea-Bissau. Wo liegt das noch mal? Afrika? Und wo genau?
Ein Lied für Dulce bringt uns dieses kleine, am westafrikanischen Atlantik zwischen Senegal und Guinea gelegene Land und seine Bevölkerung näher. In jeder Zeile ist die schwüle Hitze eines – auch politisch aufgeladenen – Abends zu spüren. Durch und durch sinnlich ist dieser kleine Roman von Sylvain Prudhomme, der es schafft, den Leser auf vielen Ebenen in eine uns wenig bekannte Ecke Afrikas zu entführen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Unionsverlag, 2017
Format
Gebunden
Seiten
224 Seiten
ISBN/EAN
978-3-293-00514-3
Preis
20,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Sylvain Prudhomme, geboren 1979, ist Schriftsteller und Übersetzer. Seine Kindheit verbrachte er in Kamerun, Burundi, Mauritius und im Niger. In Paris studierte er Literaturwissenschaften und arbeitete danach mehrere Jahre in Afrika. Er ist Autor von mehreren Romanen und Mitbegründer der Zeitschrift Geste. Für Ein Lied für Dulce wurde er 2014 mit dem Prix littéraire Georges-Brassens sowie 2015 mit dem Prix littéraire de la Porte Dorée ausgezeichnet.

Zum Buch:

Guinea-Bissau. Wo liegt das noch mal? Afrika? Und wo genau?
Ein Lied für Dulce bringt uns dieses kleine, am westafrikanischen Atlantik zwischen Senegal und Guinea gelegene Land und seine Bevölkerung näher. In jeder Zeile ist die schwüle Hitze eines – auch politisch aufgeladenen – Abends zu spüren. Durch und durch sinnlich ist dieser kleine Roman von Sylvain Prudhomme, der es schafft, den Leser auf vielen Ebenen in eine uns wenig bekannte Ecke Afrikas zu entführen.

„I muri.“ Sie ist tot. So beginnt die Geschichte, in der Couto erfährt, dass seine alte Liebe und Sängerin in seiner Band Mama Djombo tot ist. Diese Neuigkeit überrollt ihn, als er gerade entspannt und erfüllt vom gerade vollzogenen Liebesakt mit seiner Lebensgefährtin Esperança nackt mit dieser im Bett liegt.

„I muri.“ Dieser Satz zieht sich durch den über die folgenden 200 Seiten beschriebenen Nachmittag und Abend, in denen Couto loszieht und nach und nach die anderen Bandmitglieder aufsucht, um ihnen die traurige Botschaft zu überbringen: „la kantadura“ ist tot. Wir erfahren von den Lebensgeschichten der Bandmitglieder, den Schicksalen im Exil, verflossenen Lieben und der Macht der Militärs in diesem afrikanischen Land. Bemerkenswert ist die gelungene Verflechtung von Coutos detailliert beschriebenen inneren Monologen, Gedanken und Sinneseindrücke mit so großen Themen wie dem Unabhängigkeitskampf eines Landes und dem Alltag auf einem uns fremden Kontinent.

Den Hintergrund für die sehr persönlichen Begegnungen zwischen alten Freunden und die gemeinsamen Erinnerungen an alte Zeiten bildet eine überall in der Stadt spürbare Spannung. Der für den Abend erwartete Militärputsch erzeugt eine ganz eigene Atmosphäre zwischen Gespanntheit und Resignation. Niemand erwartet, dass sich für die Einwohner Guinea Bissaus nach diesem Putsch, der am Abend des 12. April 2012 tatsächlich in der Hauptstadt Bissau stattfand, etwas ändert. Prudhomme mischt die reale Geschichte dieses westafrikanischen Landes und die tatsächliche Existenz der Band Mama Djombo mit der fiktiven Gestalt Coutos, der nie Teil der echten Band Mama Djombo war. Alle anderen Bandmitglieder entsprechen realen Figuren. Die „kantadura“ trug zwar auch den Namen Dulce hat aber mit der im Roman beschriebenen Person nichts zu tun. (Im Nachwort erfahren wir, dass die echte Dulce Neves anders als die gleichnamige Romanfigur noch am Leben ist und auch nie einen General heiratete.)

Die unterschiedlichsten Elemente dieses Romans: Politik, Verlust, Altern, Liebe, Sehnsucht und Stolz werden zusammengehalten von einer universellen und allumfassenden Macht: der Musik. Dulce, die einer Göttin gleich verehrt wird und deren Stimme auch nach ihrem Tod Alt und Jung mitreißt, ist Leitstern und traurige Gestalt zugleich: für das abendliche Konzert zum Gedenken an die „kantadura“, das im Mittelpunkt steht, für melancholische Rückblicke auf vergangene Zeiten des internationalen Erfolgs, frühere Tourneen auf die großen Bühnen europäischer Städte, das leise, aber nie endgültige Verlöschen des Ruhms der Band Mama Djombo…

Die Lust der Menschen, sich an diesem tropischen Abend in Bissau gemeinsam der Musik hinzugeben, scheint stärker zu sein als alle militärischen Querelen und wird dadurch zu einem leidenschaftlichen Gegenentwurf zu einem eher resignierten Blick in eine ungewisse Zukunft. Schon deswegen hat dieser Roman etwas ungemein Lebendiges und ermuntert zu einem versöhnlichen Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt