Zum Buch:
„Alle denken, dass du siegen musst. Musst du aber nicht. Du musst nur deinen Job machen.“
Das ist nur einer der Grundsätze, an denen Lucian Wing, der Sheriff von Ulster, eisern festhält, und niemand, der auch nur zwei und zwei zusammenzählen kann, würde ernsthaft behaupten, der Mann sei damit bisher nicht ganz gut gefahren. An diesem Dienstagmorgen wird Wing zu einem Einsatz weit draußen an der Diamond Mountain Road gerufen; ein Trooper hatte gemeldet, er sei auf einen an einen Baum gebundenen, übel zugerichteten, splitternackten Russen gestoßen, der noch dazu eine Stinkwut im Bauch habe. Wie sich bald schon herausstellt, handelt es sich bei dem Nackten um einen Profikiller der Russenmafia, dessen Auftrag darin bestanden hatte, einen kürzlich aus einer Villa gestohlenen kleinen, feuerfesten Safe aus Stahl wiederzubeschaffen – und dann den Dieb zu töten.
Doch muss er wohl an den Falschen geraten sein, und Sheriff Wing braucht nicht erst lange zu überlegen, wer für diese Dummheit in Frage kommt: Sean Duke, ein Tunichtgut und Weiberheld, der in der ganzen Stadt dafür bekannt ist, jeden möglichen Blödsinn anzustellen und sich – wenn überhaupt – erst hinterher zu fragen, wie die Sache hatte schieflaufen können. Mit Sean zu reden ist, als würde man mit einem bellenden Hund reden – nur dass ein Hund, der intelligent genug ist zu bellen, schon ein Stück intelligenter ist als Sean.
Sheriff Wing mag den Jungen trotzdem. Also macht er sich auf die Suche nach ihm, bevor noch mehr durchgedrehte Russen in der Ortschaft auftauchen, die sich nicht an einen Baum binden lassen und die Sache auf Russenmafia-Art erledigen.
Was die Kurzweil und das uneingeschränkte Lesevergnügen angeht, so hat sich der US-amerikanische Autor Castle Freeman mit seinem zweiten Roman selbst übertroffen. Die Charaktere sind alles andere als gewöhnlich, die Dialoge trocken und perfekt knapp gehalten; man kommt nicht um den Vergleich herum, sich in einem Film der Coen Brüder zu wähnen, beispielsweise No Country for Old Men. Wer sich also vom Alltagsgrau erholen und es sich für zwei erholsame Nachmittage auf der Couch gemütlich machen möchte, der ist hier goldrichtig.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln