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Ein Monat auf dem Land

Autor
Carr, J.L.

Ein Monat auf dem Land

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Monika Köpfer
Beschreibung

1920 fährt der junge, kriegstraumatisierte Restaurator Tom Birkin aus London in den kleinen nordenglischen Ort Oxgodby. Er hat den Auftrag angenommen, in der unscheinbaren Kirche des Ortes ein Wandgemälde freizulegen, das im Chorbogen vermutet wird. Das Geld dazu stammt aus dem Testament einer Miss Hebron. Misstrauisch vom mürrischen Pfarrer beäugt, richtet er sich im Turmzimmer der Kirche ein und beginnt seine Arbeit. Im Laufe des Sommers entsteht ein wundervolles Kunstwerk vor seinen Augen. Und auch in ihm kommt durch die Arbeit, die Ruhe des Ortes, die Schönheit der Gegend und den Kontakt zu den Menschen im Ort etwas Verschüttetes zum Vorschein und er beginnt, wieder Boden unter den Füßen und Lebensfreude zu finden und sein Herz neu zu entdecken.

„Ein Monat auf dem Land“ ist eine wundervolle Lektüre für alle, die auf Action, Spannung und breitgetretene Emotionen verzichten können. Ein ruhiges Buch voller feiner Ironie und Wärme, vielschichtig und humorvoll. Man möchte sofort nach Nordengland fahren – nur leider schafft man es nicht mehr bis ins Jahr 1920 …
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
DuMont Buchverlag, 2016
Seiten
144
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-8321-9835-0
Preis
18,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

J.L. Carr wurde 1912 in der Grafschaft Yorkshire geboren und starb 1994 an Leukämie. Nachdem er jahrelang als Lehrer gearbeitet hatte, gründete er 1966 einen eigenen Verlag und verfasste acht Romane. ›Ein Monat auf dem Land‹ ist Carrs bekanntestes Werk und war 1980 für den Booker-Preis nominiert. Bei DuMont erscheint es nun erstmals auf Deutsch.

Zum Buch:

1920 fährt der junge Restaurator Tom Birkin, traumatisierter Kriegsveteran, dem nach seiner Heimkehr die Frau weggelaufen ist, in den Norden Englands in einen kleinen Ort namens Oxgodby. Er hat den Auftrag angenommen, in der unscheinbaren Kirche des Ortes ein Wandgemälde freizulegen, das im Chorbogen vermutet wird. Das Geld dazu stammt aus dem Testament der verstorbenen Miss Hebron. Misstrauisch vom mürrischen Pfarrer beäugt, bezieht Birkin ein Turmzimmer in der Kirche und beginnt seine Arbeit. Anfänglich ist sein einziger näherer Kontakt der zu Charles Moon, dem aus dem Testament ebenfalls eine Aufgabe zugefallen ist: er soll das Grab eines exkommunizierten Vorfahren von Miss Hebron finden.

„Tom Birkin – mit seinen zerbombten Nerven, dem die Frau davongelaufen und der völlig abgebrannt ist“ – so seine Selbsteinschätzung –, macht sich an die Aufgabe, Schicht für Schicht ein Jüngstes Gericht unter zahlreichen Farb- und Putzaufträgen freizulegen, und im Laufe des Sommers kommt ein wundervolles Kunstwerk unter seinen Händen zum Vorschein. Und auch in ihm kommt durch die Ruhe des Ortes, die Schönheit der Gegend und den Kontakt zu den Menschen etwas Verschüttetes zum Vorschein. Er findet Ruhe, gewinnt wieder Boden unter den Füßen und entdeckt seine Gefühle – denn da ist noch Alice Keach, die junge, schöne Frau des Pfarrers …

„Ein Monat auf dem Land“ ist eine Sorte Text, die so freundlich und heiter daherkommt, so trügerisch „altmodisch“, dass man aufpassen muss, die Vielschichtigkeit und die Abgründe darin nicht zu überlesen. Denn im Laufe der Erzählung werden, wie auf der Kirchenwand, nicht nur die selbstgefälligen Tugendhaften sichtbar, die in den Himmel aufsteigen, sondern auch die, die schon vor dem Tod ihre persönliche Hölle in sich tragen.

All das wird nicht auserzählt und breitgewalzt. Birkin und Moon sind die Sorte Männer, die „alter Junge“ zueinander sagen und ihr Herz nicht auf der Zunge tragen. Die über vieles mit einem leichten Scherz hinweggehen, besonders wenn es persönlicher Art ist, und die, wenn sie eine verwandte Seele treffen, zufrieden in dem Bewusstsein des gegenseitigen Erkennens sind und noch zufriedener, weil sie genau deshalb nicht darüber reden müssen. Den Frauen, obgleich neugieriger, offener (und redseliger), sind durch die Konventionen enge Grenzen gesetzt. In dieser Gesellschaft auf dem Land hat jeder seinen festen Platz– was ebenso schützend wie einengend ist. Nur die beiden Kriegsveteranen, versehrt durch das Grauen, das sie erlebt haben, sind heimatlose Wanderer darin.

J.L. Carr beschreibt in seinem Buch eine heute in unseren Breiten kaum noch gekannte Bedürfnislosigkeit im Materiellen und gleichzeitige Offenheit für die Schönheiten und die Freuden des „einfachen“ Lebens. Für nicht enden wollende Sommertage, das Licht, die Landschaft. Für ein Schinkensandwich, das eine freundliche Nachbarin vorbeibringt. Dafür, langsam in diesem Ort und in einer menschlichen Gemeinschaft anzukommen, trotz aller Unvollkommenheiten.

„Ein Monat auf dem Land“ ist eine wundervolle Lektüre für alle, die auf Action, Spannung und breitgetretene Emotionen verzichten können. Ein ruhiges Buch voller feiner Ironie und Wärme, vielschichtig und humorvoll. Man möchte sofort nach Nordengland fahren – nur schafft man es leider nicht mehr bis ins Jahr 1920 …

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt