Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Stasiuk, Andrzej

Grenzfahrt

Untertitel
Roman. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall
Beschreibung

Selbst wenn die Erinnerung verblasst und zu einer Art Vexierspiel gerät, ist der Krieg doch nie zu Ende für jemanden, der ihn gesehen hat. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt Andrzej Stasiuk in seinem Roman Grenzfahrt, in dem er auf gekonnt erzählerischer Weise historisch verbürgte Tatsachen über den Überfall auf Polen 1941 mit privaten Handlungssträngen verknüpft.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2023
Format
Gebunden
Seiten
355 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-43126-9
Preis
25,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Andrzej Stasiuk, der in Polen als wichtigster jüngerer Gegenwartsautor gilt, wurde 1960 in Warschau geboren, debütierte 1992 mit dem Erzählband Mury Hebronu (Die Mauer von Hebron), in dem er über seine Gewalterfahrung im Gefängnis schreibt. Stasiuk wurde 1980 zur Armee eingezogen, desertierte nach neun Monaten und verbüßte seine Strafe in Militär- und Zivilgefängnissen. 1986 zog er nach Czarne, ein Bergdorf in den Beskiden.

2002 erhält er den von den Partnerstädten Thorn (Polen) und Göttingen gemeinsam gestifteten Samuel-Bogumil-Linde-Literaturpreis. Den literarischen Jahrespreis Nike erhielt Andrzej Stasiuk 2005 für sein Buch Unterwegs nach Babadag.

Sein vielfach ausgezeichnetes Werk erscheint in 30 Ländern. 2016 wurde er mit dem Staatspreis für europäische Literatur 2016 ausgezeichnet.

Zum Buch:

Obschon er im Dunkel kaum die Richtung erkennen kann, die er einschlägt, findet er mühelos den Weg ans jenseitige Ufer. Der Fährmann Lubko ist Pole. Er ist hier, am Ufer des Bug, geboren und aufgewachsen, er weiß um die Tücken des grünen Flusses, der bei Hochwasser die tiefliegenden, endlosen Weiden und Raine überschwemmt, kennt die gefährlichen Sandbänke, die Strömungen und Untiefen des Grenzflusses zwischen Polen und Russland.

Seit die Deutschen plündernd und mordend in sein Dorf einmarschiert sind, sieht man zuweilen Leichen den stillen Fluss hinuntertreiben. Dennoch fährt er vornehmlich bei Nacht, setzt Schmuggler und Flüchtlinge über, die sich in den Wäldern verstecken. Und ob Jude oder Christ, er nimmt nur 100 Zloty, denn Lubko ist ein ehrlicher Fährmann.

Gefahr lauert indes auf beiden Seiten des Ufers, denn auch russische Soldaten patrouillieren bei Nacht und schießen ohne Vorwarnung, während umherstreifende Partisanen, die in ihrem verzweifelten Kampf um ein Land der Angst und Trauer, das längst verloren ist, zu allem bereit sind und selbst nicht davor zurückschrecken, die eigenen Landsleute zu drangsalieren.

In seinem neuen Roman Grenzfahrt verknüpft der polnische Autor Andrzej Stasiuk auf unnachahmliche Weise historische Fakten rund um den Überfall der Wehrmacht in Polen im September 1941 mit den verblassenden Erinnerungen seines dementen Vaters, der sich an die Reste der eigenen Vergangenheit klammert. Grenzfahrt, so der Autor, beschreibt die Suche nach einem Land, das am eigenen Gedächtnis festhält, weil niemand anders es erinnert.

Axel Vits, Köln