Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Tokarczuk, Olga

Unrast

Untertitel
Roman. Aus dem Polnischen von Esther Kinsky
Beschreibung

Eine Wunderkammer voller kurioser Geschichten hat Olga Tokarczuk in ihrem Roman Unrast versammelt: Eine Sammlung von Erzählungen, von Beobachtungssplittern, von Essays, die uns eine ebenso kluge wie klare Autorin präsentiert und an verschiedene Orte, in unterschiedliche Zeiten entführt. Die Geschichten in Unrast sind nicht als Roman komponiert, doch die Erzählungen und Beobachtungen ergänzen und kommentieren einander auch ohne einen stringenten logischen Zusammenhang. Bei Olga Tokarczuk kann man lesen und staunen, mit welcher Klarheit und Leichtigkeit vom wundersamen Leben berichtet werden kann.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Kampa Verlag, 2019
Format
Gebunden
Seiten
464 Seiten
ISBN/EAN
978-3-311-10012-6
Preis
24,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Olga Tokarczuk, 1962 im polnischen Sulechów geboren, studierte Psychologie in Warschau und lebt heute in Breslau. Sie zählt zu den bedeutendsten europäischen Autorinnen der Gegenwart. Ihr Werk (bislang neun Romane und drei Erzählbände) wurde in 37 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Für Die Jakobsbücher, in Polen ein Bestseller, wurde sie 2015 (zum zweiten Mal in ihrer Laufbahn) mit dem wichtigsten polnischen Literaturpreis, dem Nike-Preis, ausgezeichnet und 2018 mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis. Im selben Jahr gewann sie außerdem den Man Booker International Prize für Unrast (im Frühjahr 2019 im Kampa Verlag erschienen), für den sie auch 2019 wieder nominiert war: Ihr Roman Der Gesang der Fledermäuse (im Kampa Verlag in Vorbereitung, wie alle ihre älteren Bücher) stand auf der Shortlist. 2019 wurde Olga Tokarczuk mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Zum Schreiben zieht Olga Tokarczuk sich in ein abgeschiedenes Berghäuschen an der polnisch-tschechischen Grenze zurück.

Zum Buch:

Eine Wunderkammer voller kurioser Geschichten hat Olga Tokarczuk in ihrem Roman Unrast versammelt: Eine Sammlung von Erzählungen, von Beobachtungssplittern, von Essays, die uns eine ebenso kluge wie klare Autorin präsentiert und an verschiedene Orte, in unterschiedliche Zeiten entführt. Da ist der eigenbrötlerische ehemalige Walfänger Eryk, der aller Abenteuer beraubt, nunmehr die Fähre zwischen Insel und Festland monoton auf einer einzigen Geraden steuert; da ist der Urlauber aus Polen, der in der sengenden Hitze Frau und Kind zu suchen beginnt, die ihm auf einer kroatischen Insel vor Split abhandengekommen sind, und da ist Charlotta Ruysch, Tochter des großen Anatomen Fryderyk Ruysch, die sich, anders als der Vater, auf die Abarten des menschlichen Lebens konzentriert hat, sie präpariert und konserviert – monstrum humanum acephalum.

Auf eben solche Nebenwege und Absonderlichkeiten, bei denen die Perspektive manchmal nur minimal verschoben ist, begibt sich Tokarczuk. Sie seziert und bleibt zugleich doch an der Oberfläche haften; an psychologischen Studien ist sie nicht interessiert.

Zu den eindrücklichsten Erzählungen gehören sicher jene über den Anatomen und Chirurgen Philip Verheyen samt des Briefes an ein amputiertes Bein, ein Bein, das ihn zeitlebens mit Phantomschmerzen gequält hat, sowie jene über Josephine Soliman, die Franz I. inständig darum bittet, den präparierten Körper ihres toten Vaters aus dem königlichen Naturalienkabinett zu entfernen – Angelo Soliman, einst als Sklave aus dem Gebiet des heutigen Nigeria verkauft, wurde zum hochgeschätzten Kammerdiener des Kaisers und nach seinem Tod zur Schau gestellt.

Die Geschichten in Unrast sind nicht als Roman komponiert, doch die Erzählungen und Beobachtungen ergänzen und kommentieren einander auch ohne einen stringenten logischen Zusammenhang. Das Buch ist ein wahres Kuriositätenkabinett, in dem das Innere nach außen gestülpt und das Innenleben zur Oberfläche wird. Bei Olga Tokarczuk kann man lesen und staunen, mit welcher Klarheit und Leichtigkeit vom wundersamen Leben berichtet werden kann.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt