Zum Buch:
Amalia und Marina kennen sich seit ihrer Kindheit und sind fast wie Schwestern. Dass sich Marina in den vergangenen Monaten immer mehr von Amalia zurückgezogen hatte, war neben Amalias beruflichem Tiefschlag – die Zusage für eine Forschungsstelle in Valencia wurde kurzfristig und ohne Grund zurückgenommen – erstmal in den Hintergrund getreten. Als sich jetzt jedoch ein Unbekannter von Marinas Handy aus bei ihr meldet und sich mit ihr in Valencia verabredet, drängen immer mehr Erinnerungen an Marinas verändertes Verhalten in der letzten Zeit an die Oberfläche.
Hals über Kopf und ohne ihre Eltern zu informieren, die gerade mit dem Essen auf sie warten, macht Amalia sich auf den Weg nach Spanien und auf die Suche nach ihrer besten Freundin. Bei einem einjährigen Forschungsaufenthalt in der spanischen Stadt hatte Amalia als Sechsjährige ihren Vater begleitet und dabei auch Marina und ihre Familie kennengelernt. Das kontrastreiche Valencia mit seinen verschiedenen Gesichtern von Gentrifizierung und Tourismus ist ihr daher sehr vertraut und fast wie eine zweite Heimat. Bei der alten Nachbarin Amparo holt sich Amalia nicht nur die Schlüssel zu Marinas Wohnung, sondern beginnt auch Fragen nach Marinas Verschwinden zu stellen. Während zu Beginn noch die Möglichkeit einer Entführung oder eines einfachen Urlaubs als Grund der Abwesenheit in Erwägung gezogen werden, entfaltet sich vor den Augen der akribisch suchenden Freundin langsam ein Familiendrama, das einerseits ihrer beider Familien verbindet und andererseits immer tiefer in die dunkelsten Keller spanischer und europäischer Geschichte führt.
Kunstvoll hat Verena Boos eine Geschichte zweier, in all ihrer Unterschiedlichkeit freundschaftlich tief verbundener Frauen entworfen, die vor dem brisanten Hintergrund der „bébés robados“ – den Verflechtungen der Kirche und einflussreicher Familien in kriminelle Zwangsadoptionen in der Franco Zeit und ihrer Vertuschung bis in die Gegenwart – ein großes Panorama menschlicher Abgründe und gesellschaftlicher Machtstrukturen gezeichnet.
Die Handlung des Romans, die von Deutschland über Spanien bis zur Rattenlinie nach Südamerika führt, spielt sich vor der sinnlichen Kulisse des nicht touristischen Valencias ab, dessen Ecken, Gerüche und Ausblicke die Autorin in wunderbarer Sprache zu beschreiben weiß. Wie der valencianische Maler Joaquin Sorolla mit seinen sonnendurchfluteten Bildern die BetrachterInnen, so zieht Verena Boos mit ihren Worten und fast filmischen Beschreibungen die LeserInnen in die Handlung hinein, so dass sich Die Taucherin zu einem echten Pageturner entwickelt, den man einfach nicht mehr aus der Hand legen kann.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt