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Jena 1800

Autor
Neumann, Peter

Jena 1800

Untertitel
Die Republik der freien Geister
Beschreibung

Man schreibt das Jahr 1800. Der von vielen von der Französischen Revolution erwartete Geist der Freiheit hat sich – zumindest in bürgerlichen deutschen Kreisen – schnell in einen des Schreckens verwandelt. Die Landesfürsten wittern zwar immer noch hinter jeder kritischen Äußerung ihrer Untertanen Umsturz und Revolte, Gefahr droht aber von ganz anderer Seite, denn mit Napoleons Eroberungskriegen bricht eine ganz neue Gewalt über Europa herein.

In der kleinen thüringischen Universitätsstadt Jena setzt eine Gruppe von Dichtern und Philosophen, zusammen mit ihren Frauen, nicht mehr auf eine politische Revolution: Ein neues Denken soll den Menschen zu einem selbstbestimmten Individuum formen, eine Republik der freien Geister wollen sie errichten. Für eine kurze Zeit wird Jena zum geistig-kulturellen Mittelpunkt Deutschlands, dessen Strahlkraft weit über die Grenzen des Landesreicht.

Peter Neumann erzählt unterhaltsam und kenntnisreich von einer Zeit des Aufbruchs in der Philosophie, der Kunst, in den Wissenschaften, aber auch im menschlichen Zusammenleben, die bis heute unglaublich modern erscheint.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Siedler Verlag, 2018
Seiten
256
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-8275-0105-9
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Peter Neumann, geboren 1987, lebt als freier Schriftsteller in Weimar und lehrt Philosophie mit Schwerpunkt Deutscher Idealismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Zum Buch:

Die altehrwürdige Universität Jena und mit ihr das ganze kleine Städtchen waren am Ende des 18. Jahrhunderts ziemlich in die Bedeutungslosigkeit gesunken. Aber seit Goethe Geheimer Rat am Weimarer Hof geworden ist und bei der Besetzung von Stellen entscheidenden Einfluss hat, zieht es eine Gruppe junger Philosophen, Wissenschaftler und Künstler in die Stadt. Sie sind begeistert von den Ideen Kants, wollen es dabei aber nicht belassen, sondern die ganze Welt neu denken und zu einer Einheit von Ideenwelt und praktischem Leben finden. Friedrich Schiller ist der erste, der 1789 seine Antrittsvorlesung hält. Ihm folgen nach und nach Fichte, August Wilhelm und Dorothea Schlegel, Clemens Brentano, Schelling, Novalis, Tieck, Friedrich Schlegel und seine Frau Dorothea.

Ein kleiner Kreis mit einem reichen gesellschaftlichen Leben findet sich zusammen. Man isst bei den Schlegels, diskutiert, schreibt, trägt seine Texte vor, hält Vorlesungen, gründet Zeitschriften. Ideen werden entwickelt und verworfen, gesellschaftliche Konventionen in Frage gestellt. Ein unbändiger Freiheitswille beseelt Männer wie Frauen und lässt sie gesellschaftliche Zwänge abstreifen. Man setzt nicht mehr auf eine politische Revolution, vielmehr soll ein neues Denken den Menschen zu einem selbstbestimmten Individuum formen. Eine „Republik der freien Geister“ wollen sie errichten. Diese Freiheit soll für das Denken und Dichten genauso gelten wie für die menschlichen Beziehungen, die sie aus der Enge gesellschaftlicher Zwänge befreien wollen, was besonders für die Frauen gilt. Dorothea hat sich aus der von den Eltern gestifteten Ehe mit dem Kaufmann Veith befreit und lebt mit dem um Jahre jüngeren Friedrich Schlegel zusammen. Caroline Schlegel entbrennt für Schelling und heiratet ihn nach der Scheidung von Wilhelm Schlegel.

Für eine kurze Zeit wird Jena, das zumeist im Schatten Weimars lag, zum geistig-kulturellen Mittelpunkt Deutschlands, dessen Strahlkraft weit über die Grenzen des Landes reicht. Hier entstehen Werke wie Schellings Naturphilosophie, Friedrich Schlegel schreibt am zweiten Teil seiner Lucinde, Tieck an seinem Drama Genoveva, Wilhelm Schlegel übersetzt Shakespeares Dramen …

Jena 1800 ist unterhaltsam wie ein Roman und kenntnisreich wie ein gutes Sachbuch sein soll. Es erzählt von einer Zeit des Aufbruchs in der Philosophie, in der Kunst, in den Wissenschaften, aber auch im menschlichen Zusammenleben, die bis heute unglaublich modern erscheint. Fast sehnt man sich beim Lesen wieder nach ein wenig gesellschaftlichem Umbruch.

Ruth Roebke, Bochum