Zur Autorin/Zum Autor:
KD Wolff, geboren 1943, machet sich nach seinem Engagement als SDS-Vorsitzender als Verleger von historisch-kritischen Editionen der Gesamtwerke von u.a. Hölderlin und Kafka einen Namen.
KD Wolff veröffentlichte 1989 im Verlag Stroemfeld / Roter Stern Georg K. Glasers Geheimnis und Gewalt, die „Biographie unseres Jahrhunderts”, wie der Verlag das Werk bezeichnete. Nun stellt der Verleger mit dem „fesselnden Lebensbericht eines ‚publishers in the public interest‘“ seine eigene Biographie vor – „ein Streifzug durch die jüngere deutsche Geschichte“ verspricht der Klappentext.
(ausführliche Besprechung unten)
KD Wolff veröffentlichte 1989 im Verlag Stroemfeld / Roter Stern Georg K. Glasers Geheimnis und Gewalt, die „Biographie unseres Jahrhunderts”, wie der Verlag das Werk bezeichnete. Nun stellt der Verleger mit dem „fesselnden Lebensbericht eines ‚publishers in the public interest‘“ seine eigene Biographie vor – „ein Streifzug durch die jüngere deutsche Geschichte“ verspricht der Klappentext.
In seiner „Odyssee“, wie der 1910 geborene Georg K . Glaser sein Buch nennt, erzählt der Autor ein Leben mit vielen Notlagen, nach mehrmaligen Fluchtversuchen als 16jähriger lebt er auf der Straße. Er erlebt die nationalsozialistische und kommunistische Gewalt in Deutschland im existentiellen Widerstand. In seinem Werk reflektiert er deren Aufstieg und Macht wie kein anderer.
Das Buch beginnt mit dem Satz „Er hat acht Kinder in die Welt gesetzt und alles getan, um sie wieder abflatschen zu sehen.“ Das Vater-Sohn Verhältnis ist der Anfang der Gewalterfahrung, die sein ganzes Leben prägt.
Georg Glasers Sicht auf die Geschichte der Deutschen findet in KDs Bericht historische Anknüpfung und Fortsetzung von Einblicken in die gesellschaftliche Entwicklung dieses Landes – von einer formierten zur offenen Gesellschaft, allerdings in eigener Art, mit anderer Sprache, anderem Aktionsradius und doch auch einem Vater-Sohn-Verhältnis, das von Gewalt geprägt ist: „Nur an Wochenenden kam er nach Hause. Oft sagte dann meine Mutter als Erstes zu ihm: ‚Der Karlmann ist wieder ohne Erlaubnis weggelaufen‘ Bis ich sechs war, wurde ich rituell von meinem Vater geschlagen. Er hatte mich auserkoren; meine anderen Geschwister schlug er nicht.“
In der Woche vor dem Verkehrstod seines Vaters kam es zu einer Auseinandersetzung, bei der KD gegen den zum Schlag ausholenden Vater spiegelbildlich auch seine Hand erhob. Er hat deshalb später Schuldgefühle. „Zahllose junge Leute meiner Generation hatten Eltern gehabt wie ich: traumatisiert, ohnmächtig, gewaltsam. (…) Ohne die Studentenrevolte, an der ich mich später beteiligte, hätte ich die ganze Wut, die in mir drin war, nicht loslassen können.“
Für seine politische Entwicklung war ein Schüleraustauschjahr in den USA wegweisend. Später im „Vorstand des sozialistischen Studentenbundes (SDS) in Frankfurt (war) ich der Einzige, der richtige Freunde in den Vereinigten Staaten hatte und den Widerstand gegen den Krieg in Vietnam nicht als antiamerikanische Sache verstand.“
Schon als Schüler organisierte er „die Kampagne für die Wahl des Schulsprechers (…) und wir gewannen. Der Spaß, den ich hatte, so etwas zu organisieren und die Parolen zu entwickeln – dieses Gefühl überkommt mich noch heute, wenn ich sehe, wie jemand einen Wahlkampf führt, und ich überzeugt bin, das besser zu können.“
Diese Fähigkeit stärkte sein Selbstbewusstsein und war wichtige Voraussetzung für seine 1970 begonnen Verlegertätigkeit mit allem, was dazu gehört, vor allem dem Netzwerken. Selbst nach einer ersten Insolvenz 1993, der erzwungenen Aufgabe des Verlagsnamens Roter Stern (Das Kapitel „Ein Stern verglüht“) gelang dem „System KD“ mit dem – in kluger Voraussicht 1979 gegründeten – zweiten Standbein „Stroemfeld“ das Auferstehen als „Phönix aus der Asche in Basel“ –gerne hätte man in einigen Kapiteln ausführendere Erzählungen vom Autor gelesen.
KD Wolff und sein „bester und engster Freund“ Michel Leiner, der als Art Director der Verlagsproduktion ihr gestalterisches Gesicht gab, posieren gemeinsam auf einem der Fotos im vorliegenden Band. Neben einem Hölderlin-Plakat stehend, jeweils beidhändig einen Riesenstapel Verlagsbücher ins Bild haltend: Michel leicht ironisch strahlend und mit Platz nach oben bis zum Kinn; KDs Bücherstapel reicht ihm nahtlos bis zur Kinnlade, eine gerade noch zu tragende Last
„In fast fünfzig Jahren Verlagsgeschichte verlegten wir etwa 800 Bücher – ziemlich viel für einen kleinen linken Verlag mit so wenigen handelnden Akteuren.“
Viele dieser Bücher geben dank ihrer literarischen und erkenntnisfördernden Qualität die ihnen eigene Lebendigkeit an ihr Publikum weiter, sie können Gedanken zum Fließen bringen, zum Sinnieren stimulieren und verfestigte Denkstrukturen auflösen. So wie sich auch das ursprüngliche Verlagskonzept in seiner politischen Beschränktheit spätestens mit der Hölderlin-Ausgabe und Klaus Theweleits Männerphantasien in den 70er Jahren grundlegend verändert hat.
Das gilt auch und umso mehr für die historisch-kritischen Klassiker-Editionen des Verlages – Hölderlin, Kleist, Karoline von Günderrode, Georg Groddeck, Keller, Robert Walser, Trakl, Kafka –, die den variantenreichen Arbeitsprozess der Autor:innen sichtbar machen
Am Ende der Männerphantasien schreibt Klaus Theweleit (im Band II, S. 563): „Die Arbeit des Verlages ist vor allem an den Büchern selbst zu sehen.“ Der „Umbruch“ seines Buches war „mit den viele Bildern eine langwierige Fummelei“ (…) in vielen Tag- und Nachtarbeiten gemacht.“ Kein anderer Verlag als der „Rote Stern“ hätte die beiden epochemachenden Bände in den 70er Jahren in ihrer Einzigartigkeit herstellen können: „Den Wünschen des Autors wurde weitgehend entsprochen.“
Auch wenn der Verlag 2019 schließen musste, bilden diese Bücher einen unerschöpflichen Schatz, eine Leseliste von Büchern für Leser:innen, die bleibt. „Hans im Glück“ hat sie uns und nachfolgenden Generationen weitergegeben.
„Bin ich nicht doch ein Hans im Glück?“ Diese, durch „doch“ bekräftigte rhetorische Frage steht am Ende des letzten Kapitels („Das ‚Holzhaus‘ heute“), in dem der Verleger KD Wolff resümiert „Ich bin, froh, dass es uns gelungen ist, trotz immer wieder auftretender finanzieller Engpässe und sogar durch zwei Pleiten hindurch die Finanzierung des Holzhauses selbst zu sichern.“
Das „Holzhaus“, in dem all die Jahrzehnte die Verlagscrew z.T. mit ihren Kindern wohnte und arbeitete sowie ungezählten Gästen Herberge und Kommunikationsort bot und die eigensinnige Art des Verlegens beförderte, dieses Haus ist dem Verleger und den Seinen zum glücklichen Ende geblieben.
Karl Piberhofer, Berlin