Zum Buch:
Axel Vits, Der andere Buchladen Köln
Ein volles Jahr habe ich nun auf das Erscheinen dieses Buches gewartet, seit ich im Klappentext zu Tomás González 2005 erschienen Roman Horacios Geschichte las, im nächsten Jahr würde der Verlag dessen Erstlingswerk herausbringen. Jetzt ist es soweit, und ich bin absolut enttäuscht. Nein, natürlich nicht über das Buch, das Buch ist großartig, was mich enttäuscht ist eher das Fehlen jeglichen Hinweises auf eine weitere Veröffentlichung im kommenden Jahr. Ich sollte da vielleicht mal anrufen. “Am Anfang war das Meer” beginnt mit einem Unglück. Elenas Nähmaschine stürzt vom Dach eines Überlandbusses und sie gerät völlig außer sich. Elena und ihr Freund J. sind soeben aus dem spießigen Medellin angekommen, hierher an die karibische Küste Kolumbiens, um auf einer Finca, zu der außerdem noch 530 Rinder gehören, und die J. über einen Bankkredit gekauft hat, einen Neuanfang zu wagen. Als sie ihr neues Zuhause erreichen, müssen sie schnell feststellen, daß sie ihre Erwartungen mit der Realität kaum in Einklang bringen können. Das Landhaus ist völlig heruntergekommen, es gibt kein fließendes Wasser, alles ist verwildert, die Rinder zeckenverseucht und völlig abgemagert, und zu all dem lachen von den Bäumen ganze Affenhorden auf die beiden herunter. Elena und J. lassen sich jedoch nicht einschüchtern, sie bringen das Haus wieder in Schuß, vertreiben die Affen, eröffnen sogar einen kleinen Laden. Doch das Unglück nimmt seinen Lauf. Es gibt Ärger mit den Arbeitern und der schwarzen Landbevölkerung, die Geschäfte laufen schlecht bis gar nicht, so daß der Kredit nicht abbezahlt werden kann. Die beiden entfremden sich, gehen sich gegenseitig auf die Nerven und zum Ende sogar an den Hals. Die Situation eskaliert. Der Roman lebt besonders von der Glaubwürdigkeit seiner Hauptfiguren, der nüchternen Erzählweise. Ein Werk, in dem kein überflüssiges Wort zu finden ist, kein falscher Satz, nichts Unwesentliches. González Leistung liegt aber auch darin, daß er das Scheitern, und das damit verbundene Leid, auf höchst unterhaltsame, kurzweilige Weise zu beschreiben versteht. Es ist kein trauriges Buch. Eher könnte man sagen: heiter bis wolkig. Autorenportrait: Tomás González wurde 1950 in Medellin, Kolumbien geboren, studierte Philosophie, war Barmann und Mechaniker, und lebte 16 Jahre lang als Journalist in New York. Er hat mehrere Romane und Erzählungen geschrieben. Heute lebt er wieder in Kolumbien.
Axel Vits, Der andere Buchladen Köln