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Autor
Hagner, Michael

Der Hauslehrer

Untertitel
Die Geschichte eines Kriminalfalls. Erziehung, Sexualität und Medien um 1900
Beschreibung

Ein Junge wird von seinem Hauslehrer wiederholt missbraucht und aufs Heftigste gezüchtigt, so dass er schließlich an den Folgen der Prügel stirbt. Der Lehrer ist sich seiner Schuld nicht bewusst und glaubt noch bis zum Schluss, in (fast) allem richtig gehandelt zu haben. Ein Kriminalfall zur Zeit der Jahrhundertwende, heute so brisant wie ehedem.

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2010
Format
Gebunden
Seiten
280 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-42204-5
Preis
19,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Michael Hagner ist Professor für Wirtschaftsforschung an der ETH Zürich. 2008 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Suhrkamp Verlag sind erschienen: „Homo cerebralis. Der Wandel vom Seelenorgan zum Gehirn“, „Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik“ (herausgegeben zusammen mit Erich Hörl).

Zum Buch:

Berlin 1902. Rudolf Koch ist amtierender Vorstandsprecher und Direktor der Deutschen Bank, seine Familie gehört zu den wohlhabendsten und angesehnsten des Deutschen Reiches, und da er in seiner Position als rechte Hand des Bankgründers Georg Siemens durch seine beruflichen wie gesellschaftlichen Verpflichtungen einfach zu sehr in Anspruch genommen wird, hält er sich »aus dem Erziehungsgeschäft« ganz einfach heraus und überlässt dies völlig seiner Gattin Rosalie.

Nachdem diese erkennen muss, dass die schulischen Leistungen ihrer Söhne Heinz und Joachim, der eine 10, der andere 12 Jahre, mehr als im Argen liegen, entschließt sie sich, einen Hauslehrer zu engagieren. Unter den über 40 Bewerbern erhält am Ende der 23jährige, aus verarmten Verhältnissen stammende Jurastudent Andreas Dippold den Zuschlag. Liebesentzug der Eltern, ein Ortswechsel, harte körperliche Ertüchtigung in der freien Natur und bei jedem Wetter, dazu karges Essen sowie abends bei offenem Fenster gemeinsam nackt schlafen –  Dippolds Auffassung von Erziehung mag aus heutiger Sicht vielleicht Befremden auslösen, doch hielt man sie in der damaligen Zeit zwar für etwas neumodisch, aber dennoch, oder gerade deshalb für nichts, worüber man sich wirklich wundern, geschweige denn sich sorgen machen müsste. Getäuscht durch erste Erfolge lassen die Eltern Dippold dann auch so manche Züchtigung durchgehen, sind sie doch eher froh, sich dieser Last entledigt zu sehen und ungestört die Osterferien in Cannes genießen zu können. Nachdem der Hauslehrer die beiden Knaben wegen nächtlicher Onanie wieder einmal aufs schwerste gezüchtigt hat, stirbt Heinz nur wenige Tage darauf an den Folgen der Prügel. Als am Ende der folgenden Gerichtsverhandlung Dippold zu nur acht Jahren Zuchthaus verurteilt wird, bricht in der Gesellschaft geradezu ein Sturm der Entrüstung los. Man will diesen Wahnsinnigen hängen sehen.   Michael Hagner hat mit diesem damals wie heute aufsehenerregenden Kriminalfall den Spagat zwischen erzählerischem Bericht und wissenschaftlicher Abhandlung gewagt, was das flüssige Lesen des Textes mitunter etwas hemmt, dem anhaltenden Interesse jedoch keinen Abbruch tut. Missbrauch und Bestrafung durch körperliche Misshandlung sind leider Themen, die uns nach wie vor beschäftigen und die in ihrer Brisanz und Aktualität nicht abnehmen. Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln