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Autor
Houellebecq, Michel

Vernichten

Untertitel
Roman. Aus dem Französischen von Stephan Kleiner und Bernd Wilczek
Beschreibung

Im Frankreich des Jahres 2027 wird die anstehende Präsidentschaftswahl von einer Reihe Terroranschläge überschattet, doch ist der in die Untersuchungen involvierte Paul Raison momentan abgelenkt durch viel wichtigere und äußerst persönliche Sorgen. Der „neue Houellebecq“ ist anders – doch wie immer steckt er voller kühner Überraschungen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
DuMont Buchverlag, 2022
Format
Gebunden
Seiten
624 Seiten
ISBN/EAN
978-3-8321-8193-2
Preis
28,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Michel Houellebecq, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Autoren der Gegenwart. Seine Bücher werden in über vierzig Ländern veröffentlicht. Für den Roman ›Karte und Gebiet‹ (2011) erhielt er den Prix Goncourt. Sein Roman ›Unterwerfung‹ (2015) stand wochenlang auf den Bestsellerlisten und wurde mit großem Erfolg für die Theaterbühne adaptiert und verfilmt. Zuletzt erschien der Essayband ›Ein bisschen schlechter‹ (2020).

Zum Buch:

Wir schreiben das Jahr 2027. Während Frankreich mitten in den Vorbereitungen für eine weitere Präsidentschaftswahl steckt, dessen erklärter Favorit, der Wirtschaftsminister Bruno Juge, vom Volk zwar geschätzt, aber nicht geliebt wird, taucht plötzlich ein Video im Internet auf, in dem die Enthauptung Juges dargestellt wird. Ein Fake-Video, wie sich nur allzu bald herausstellt, da sich der Präsidentschaftskandidat bester Gesundheit erfreut. Dessen Assistent, der eingefleischte Agnostiker Paul Raison, sieht seine Rolle weniger als Berater als die eines sehr engen Vertrauten, der zu jeder Zeit zur Stelle zu sein hat, doch wirklich konzentrieren kann er sich momentan auf seine Aufgabe nicht. Der Fünfzigjährige lebt seit zehn Jahren in einer Art Zweckgemeinschaft mit seiner gleichaltrigen Frau Prudence, teilt sich zwar den Kühlschrank mit ihr, doch längst nicht mehr das Ehebett.

Von seiner Schwester, eine überzeugte Katholikin, die im Gegensatz zu ihm in einer zwar langweiligen, aber nichtsdestotrotz perfekten Ehe lebt und dafür jeden Tag ihrem Schöpfer auf Knien dankt, erfährt Paul, dass ihr Vater einen Schlaganfall erlitten hat und seitdem in einem Krankenhaus in Lyon im Koma liegt. Zu diesem, einem leitenden Nachrichtendienstmitarbeiter im Ruhestand, hatte er nie eine engere Beziehung aufbauen können. Ebenso wenig wie zu seinem jüngeren Bruder, den er vom Bahnhof abholen soll und den er für einen völligen Weichling hält. Und noch während ein weiteres Video auftaucht, in dem zu sehen ist, wie ein riesiges chinesisches Containerschiff in die Luft gesprengt wird – ein Terroranschlag, der zum Entsetzen aller diesmal tatsächlich stattgefunden hat – und im Anschluss daran eine weltbekannte Samenbank durch einen Brandanschlag zerstört wird, macht sich Paul mit äußerst gemischten Gefühlen auf den Weg nach Lyon.

Aber Pauls Gedanken, der bis vor kurzem noch von sich behauptete, generell nicht zu menschlichen Beziehungen zu taugen, und der sich insgeheim eingestehen muss, den Attentätern ein gewisses Maß an Respekt zu zollen, da sie die Dinge „einfach in die Hand nehmen“, kreisen auch um ein gänzlich anderes Thema: Zum ersten Mal seit wer weiß wie vielen Jahren und durch eine eher zufällige Begegnung in ihrer gemeinsamen Wohnung haben er und seine Frau sich tatsächlich miteinander unterhalten – und er weiß wirklich nicht, was er davon halten soll. Denn womöglich ist das Leben in Wahrheit ganz einfach, denkt er, vermutlich braucht man sich nur von etwas leiten zu lassen. Paul ahnt da noch nicht, dass seine Welt in kürzester Zeit komplett aus den Angeln gehoben und an den äußersten Rand einer Felsklippe gehievt werden wird.

Es ist viel und breit darüber diskutiert worden, ob Michel Houellebecq seinen berühmten beißenden Spott mittlerweile beiseitegelegt hat und „zahm“ geworden ist. Unterschreiben könnte ich das nicht. Vernichten wartet vielleicht nicht unbedingt mit jener überbordenden Fülle an Makabrem oder den komplett überdrehten Protagonisten auf, für die die geneigte Leserschaft den Autor zu schätzen gelernt hat, doch darunter hat das Lesevergnügen keineswegs gelitten. Es sei dem Autor einfach gegönnt, dass er sich zwar nicht unbedingt neu erfindet, aber doch zumindest eine andere Wegrichtung einschlägt.

Axel Vits, Köln