Als das Taxi noch Autodroschke hieß: Ein russischer Fahrer erzählt aus dem motorisierten Berlin der Zwanzigerjahre, von seinem mühevollen Gewerbe einer Großstadt im zwischen Aufschwung und Krise.
Alexander Kareno wird während der Inflation 1926 aus Not zum »Chauffeur«. Er findet sich unter »Gewesenen«: ehemalige Pferdedroschkenkutscher, Absteiger aus der feinen Gesellschaft und Studierte ohne Aussicht auf Einstellung – sie alle besuchen die »Fahrerschule«, um Arbeit zu finden in einer der großen und kleinen Garagen der Stadt.
In seinem Episodenroman schreibt Kareno eine Sittengeschichte der modernen Metropole, denn in seinem Wagen nehmen Haute volée und Halbwelt gleichermaßen Platz.
Vom »Autofieber« der ersten Wochen hinter dem Lenkrad, den Symptomen der neuen Verkehrswelt in der wachsenden Stadt, von Übelkeit, nervöser Anspannung und Schlaflosigkeit, von Unfällen, den Schikanen der Schupos und dem kargen Auskommen der Taxifahrer berichtet er uns.
In drei Partien – »Die am Steuer«, »Die im Wagen« und »Moloch Verkehr« – führt Kareno uns durch die Berliner Milieus der 1920er-Jahre und erzählt alles, was er »als Chauffeur sah, erlebte und erfuhr«. Damen und Herren fährt er nach dem Mittagessen zu ihren Liebschaften und wieder heim zu Ehegatten und Kindern. Die Fahrer werden Zeugen von Eifersuchtstragödien und -komödien, die sich an den Taxiständen abspielen. Von den Liebesabenteuern auf der Rückbank berichten meist noch »Unterhosenknöpfe und Gummiwaren einer gewissen Art«, die zum Schichtwechsel aus den Fahrzeugen getragen werden. Und die Chauffeure lieben auch selbst und werden geliebt – allein für eine Familie reicht ihr karger Lohn nie.
Unter den vielen russischen Emigranten, Intelligenzlern, die unter den Berufschauffeuren zu bestehen versuchen, ist unser Erzähler selbst eine schillernde Figur, sein Leben ein Schelmenroman: Alexander Kareno ist nur das Pseudonym für einen russischen Philologen, einen Slawisten, der seine wissenschaftliche Arbeit wieder aufzunehmen hofft. Der Professorentitel, mit dem er bei Autoren und Verlegern vorspricht, ist bloß erlogen. Schon bald, ab 1934, wird er eine bescheidene Karriere unter den Nationalsozialisten machen, einer Untergruppe der SA beitreten, für Ribbentrops Auswärtiges Amt Dolmetschdienste leisten – und bald nach dem Krieg aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. In Notizen, die er in den nächtlichen Wartezeiten auf dem Lenkrad festgehalten hat, führt er uns in seinem einzigen je veröffentlichten Buch Szenen der Großstadt vor.
(Verlagstext)