Zum Buch:
Mit der Urteilsverkündung am 11. Juli 2018 im Saal A 101 des Münchener Strafjustizzentrums scheint die Untersuchung zu den Taten des sogenannten NSU abgeschlossen zu sein – und das kann nach Ansicht des AutorInnen-Kollektivs von NSU-Watch keinesfalls hingenommen werden. Zu viele Fragen bleiben offen, zu viele Ungereimtheiten ungeklärt, weshalb das wiederholt geäußerte völlige Aufklärungsversprechen der Bundesregierung mitnichten eingehalten wurde.
Auch wenn rechtskräftige Urteile ausgesprochen und Haftstrafen verhängt worden sind – einen Schlussstrich unter den NSU-Komplex zu ziehen, wäre nicht nur fatal und ein weiterer Schlag ins Gesicht der Angehörigen der Opfer, er wäre zudem das absolut falsche Signal und würde das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in unsere Rechtsstaatlichkeit weiter untergraben. Nicht allein die Opfer und die Hinterbliebenen haben Anspruch auf völlige und lückenlose Aufklärung, die auch die Mitverantwortlichkeit des Staates beinhaltet, sondern wir alle. Denn mit dem Freitod von Mundlos und Bönhardt sowie der Gefängnishaft von Beate Zschäpe ist keinesfalls gesichert, dass wir uns beruhigt zurücklehnen und weitermachen können wie bisher. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Die Menge der Anfeindungen und Angriffe mit rassistischem Hintergrund beherrschen zusehends die Medien und zeugen von einer Problematik, die tiefer sitzt, als wir uns eingestehen wollen. Es kann nicht angehen, dass sich Menschen, die unsere Mitbürger sind, aus dem deutschen Wir ausgeschlossen fühlen. Das vorliegende Buch fordert daher dazu auf, nicht müde zu werden und die richtigen Fragen zu stellen. Die These, dass zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge mit zahlreichen Opfern und ein Dutzend Raubüberfälle allein auf das Konto eines augenscheinlich geistig wenig aufgeweckten Trios gehen, klingt nicht überzeugend. Zwingend notwendig ist vielmehr eine umfassende Aufarbeitung auch – und besonders – in der Gesellschaft, in der wir leben. Dieses Buch, verfasst von den AutorInnen des NSU-Kollektivs, das den Prozess verfolgt und minutiös dokumentiert hat, verhilft dem Leser in klarer Sprache dazu, sich einen ausreichenden Einblick in die Sachlage zu verschaffen. Ein wichtiges, ein nötiges Buch, das dem Verbrecher Verlag hoch anzurechnen ist.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln