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Autor
O'Connor, Flannery

Keiner Menschenseele kann man noch trauen

Untertitel
Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von Anna und Dietrich Leube
Beschreibung

Ihre Geschichten spiegeln den Zustand eines Landes wieder, das genauso im Moment des Aufbruchs gefangen zu sein scheint wie die Protagonisten. Sie wollen vielleicht. Doch sie können nicht. Der Blick über die Schulter lässt sie erstarren.

Zehn Kurzgeschichten einer Schriftstellerin, die zu entdecken beinahe schon ein Muss ist.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Arche Verlag, 2018
Format
Gebunden
Seiten
347 Seiten
ISBN/EAN
978-3-7160-2769-1
Preis
22,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Flannery O’Connor, 1925 in Savannah im US-Bundesstaat Georgia geboren, studierte zunächst Soziologie. Mit dem Schreiben begann sie im berühmten Iowa Writer’s Workshop. 1951 wurde bei ihr Lupus erythematodes diagnostiziert, woraufhin sie auf die Farm ihrer Vorfahren zurückkehrte und dort Hühner, Enten, Gänse und hundert asiatische Pfauen hielt. Ihr Werk umfasst zwei Romane und 31 Kurzgeschichten. Flannery O’Connor starb am 3. August 1964 im Alter von 39 Jahren an den Folgen ihrer Krankheit.

Zum Buch:

»Sie wäre ne gute Frau gewesen«, sagte der Outlaw, »wenn jemand da gewesen wär, der sie in jeder Minute ihres Lebens erschossen hätte.«
»Das wäre lustig gewesen«, sagte Bobby Lee.
»Halt die Schnauze, Bobby Lee«, sagte der Outlaw. »Es gibt kein echtes Vergnügen im Leben.«

Nachdem vor einigen Jahren die 2004 verstorbene US-amerikanische Schriftstellerin Lucia Berlin mit ihren beiden Kurzgeschichten-Bänden wiederentdeckt und in allen Feuilletons mit Lob überschüttet wurde, ist es dem Arche Verlag erneut zu verdanken, dass er eine Autorin der Vergessenheit entreißt und einem interessierten Publikum präsentiert. Flannery O’Connor, die, 1925 in Georgia geboren, an einer unheilbaren Krankheit litt, wurde nur 39 Jahre alt, verfasste zwei Romane und 31 Kurzgeschichten. Und ich kann nur allen, die bereits von Lucia Berlins ganz besonderer Note des Erzählens begeistert waren, dringend raten, O’Connor zu lesen. Und diejenigen, die es bisher versäumt haben, Berlin zu lesen, sollten das unbedingt nachholen – und dann O’Connor lesen. Tun Sie sich einfach den Gefallen.

Flannery O’Connor geht mit ihrem sich im Aufbruch befindenden Heimatland ebenso gnadenlos ins Gericht wie mit ihren Protagonisten und ihren Vorstellungen, ihren Ängsten und ihrem Glauben. Vielleicht hat es am Wissen um ihren frühen Tod gelegen, dass sie sich erst gar nicht damit aufgehalten hat, zu romantisieren oder einfach nur Nettigkeiten zu schreiben. Ihre Figuren sind durch die Bank weg ernst, abgeklärt und unsympathisch. Hier gibt es keine Gutmenschen, sondern nur Verlierer, die zornig sind, Rassisten, die ihren Hass wie einen Schild vor sich hertragen, Männer und Frauen, die sich an ihre krude Vorstellung von Liebe wie an eine Eisenkugel gekettet haben. Heldinnen oder Helden des Alltags sucht man hinter jeder nächsten Tür – doch sucht man vergebens. Bisweilen gelingt es O’Connor jedoch, am Ende einer Geschichte ihre Charaktere mit einem Hauch von Würde abtreten zu lassen, dann ist man froh, dass sie ihnen nicht auch noch in den Rücken tritt.

All das verleiht jeder einzelnen dieser zehn Kurzgeschichten einen Höchstgrad an Authentizität und macht sie zu einem literarischen Ereignis der Extraklasse. Kurz: Flannery O’Connor zu lesen ist eine Erfahrung, die man, wenn man sich gerne über Literatur unterhält, unbedingt teilen möchte. Es verhält sich beinahe so, als wolle man nicht alleine bleiben mit dieser meisterhaften formalen Ausdruckskraft, der schieren schriftstellerischen Größe einer Autorin, von der man inständig hofft, demnächst mehr lesen zu können.

Axel Vits, der andere Buchladen, Köln