Zum Buch:
„Großangelegte Einschüchterungen, Belagerung und Beschuss von Wohngebieten und Dörfern, niederbrennen der Häuser mit allem Hab und Gut, Vertreibung, Abriss und schließlich Vernichtung der Trümmer, um eine Rückkehr der vertriebenen Bewohner von vornhinein auszuschließen.“
Das war der Plan.
Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, das hätten die Amerikaner mit … sagen wir, den Niederlanden gemacht, vor siebzig, achtzig Jahren. Könnten Sie sich das überhaupt vorstellen? Nein? Warum nicht? Nur weil es nicht in den Geschichtsbüchern der Amerikaner steht und die Holländer nun mal keine Geschichtsbücher haben?
Am 10. März 1948 wurde obiger Plan von elf „altgedienten zionistischen Führern und jungen Offizieren“ in Tel Aviv ersonnen und umgehend in die Tat umgesetzt. Ziel war es, eine ethnische Säuberung vorzunehmen, um Palästina für eine ausschließlich jüdische Bevölkerung zu öffnen. Es kam zu Massakern, zu Plünderungen und Vergewaltigungen unter der palästinensischen Zivilbevölkerung; Hagana und Irgun leisteten ganze Arbeit: elf Stadtviertel und über 500 Dörfer wurden dem Boden gleichgemacht, 800.000 Menschen wurden vertrieben, zigtausende starben. „Nakba“ nennen die Palästinenser das, was geschehen ist, „die Katastrophe“. Die Regierung Israels nennt es, wenn überhaupt, dann Unabhängigkeitskrieg, doch es hat gar kein Krieg stattgefunden, bis auf ein paar wenige Scharmützel wurden die völlig überraschten Palästinenser einfach überrannt. Weggefegt.
Der israelische Historiker Ilan Pappe hat Zugang zu enorm wichtigen und belastenden Dokumenten in den unlängst geöffneten Militärarchiven erhalten. Die Fakten sind eindeutig. Man kennt sogar die Namen jener elf Männer, die damals den Plan zur Säuberung ausheckten oder direkt daran beteiligt waren. Heute sind es hochangesehene Persönlichkeiten im Pantheon der Geschichte Israels, deren Andenken auch im Ausland hoch gehalten wird, wie z.B. David Ben-Gurion, Moshe Dayan, Menachem Begin und der spätere Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin. Das Verbrechen an den Palästinensern hat bis heute keine Erwähnung in den Geschichtsbüchern gefunden, die Welt schweigt dazu, ignoriert, was geschehen ist, obgleich doch gerade die Offenlegung aller Verbrechen – auf beiden Seiten – möglicherweise ein erster Schritt zur Verständigung sein könnte. Ilan Pappe hat sich mit seinem Bericht auf sehr dünnes Eis gewagt, obwohl er zu keinem Zeitpunkt Ankläger ist, er legt nur die Fakten dar. Wenn man sich für die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts interessiert, dann kommt man an diesen Fakten nicht vorbei.
PS:
Nach Erscheinen seines Buches sah sich Ilan Pappe heftigster Kritik ausgesetzt und musste seine Lehrtätigkeit an der Universität von Haifa beenden. Kein gutes Signal für den Frieden.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln