Zum Buch:
Wer erst einmal anfängt, über seine Identität nachzudenken, dem kann es gehen wie Jörg Bernardy, wenn er zu lange in den Spiegel schaut: Er wird sich fremd. Um zu wissen, wer ich bin, brauche ich vielleicht ein ganzes Leben, aber es lohnt sich, über die eine oder andere Sache immer wieder nachzudenken – über das direkte Umfeld und dessen Einfluss auf jede und jeden, über den Körper, in dem wir stecken, über die Liebe und den Beruf, die wir uns wünschen, oder über das Zusammenleben und was wir tun können, um die Welt zu verändern. Ein Buch mit vielen spannenden Fakten – und noch mehr spannenden Fragen!
„Natürlich weiß ich, wer ich bin – oder? Bin ich ein Produkt äußerer Einflüsse? Was beeinflusst meine Partnerwahl? Entscheidet mein Geschlecht, was ich werde? Wozu überhaupt arbeiten? Kann man mit Sprache die Gesellschaft verändern?“ Die Fragen hören sich gar nicht so kompliziert an. Sind sie ja auch nicht, aber vielleicht wissen wir einfach nicht genug, um sie in ihren tatsächlichen Ausmaßen zu begreifen? Oder wir sind gesellschaftlich so konditioniert, dass wir die Antworten übernommen haben, ohne selbst nachzudenken. Dann ist es gut, wenn einer kommt und Informationen weitergibt wie: Was bedeutet es, queer oder transsexuell zu sein? Seit wann muss es laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichts neben männlich und weiblich einen dritten Eintrag für intersexuelle Menschen im Behördenregister geben? Oder: Bis wann durfte eine Frau ohne Zustimmung ihres Mannes weder ein Bankkonto eröffnen noch ohne dessen Erlaubnis arbeiten gehen? Das war bis 1977 so. Für uns heute ist das unvorstellbar. Irgendwann wird es unvorstellbar sein, dass Frauen bei gleicher Arbeit weniger verdienen als Männer!
Bernardy verschafft uns in seinem Buch einen erweiterten Blick auf unsere gesellschaftlichen Zustände, auf unsere eigene und die uns angetragene Vorstellung unseres Selbst. Und das trifft nicht nur bei Jugendlichen auf einen großen Resonanzraum. Was ich ganz besonders wertvoll und sehr sympathisch finde: Den einzelnen Kapiteln sind Beiträge von Künstler*innen, Fotograf*innen und Schriftsteller*innen vorangestellt, die uns die Welt so sehen lassen, wie sie sein könnte, wenn wir uns trauten, unsere Freiheiten zu leben: Bunt und vielfältig!
Susanne Rikl, München