Zum Buch:
„Das hier sieht nach Selbstverteidigung aus, ganz einfach, aber ich will verdammt sein, wenn ich schon mal einen kennengelernt habe, der zu so viel Selbstverteidigung gezwungen war wie dieser Bursche.“
Der das sagte, war kein geringerer als der berühmt-berüchtigte Wild Bill Hickok, der selbst nicht eben zimperlich im Umgang mit der Waffe war, und mit dem „Burschen“ ist Wes Hardin gemeint, der Gentleman unter den Revolverhelden der Nachbürgerkriegsära, den Größen wie Bob Dylan und Johnny Cash in ihren Balladen besungen haben und den in den USA jedes Kind kennt. Abgesehen von ein paar weniger gelungenen Hollywoodfilmen ist Wes Harding jedoch hierzulande eher unbekannt, was sich nach der Lektüre von James Carlos Blakes Romanbiografie „Pistolero“ sicherlich rasch ändern wird.
John Wesley Hardin wurde 1853 als Sohn eines Pfarrers geboren und konnte schon als junger Mann schneller mit der Waffe umgehen als irgendwer sonst in Texas. Als er zum ersten Mal einen Mann erschoss, war er gerade mal fünfzehn Jahre alt, und es hieß, er habe in Notwehr gehandelt. In den darauffolgenden Jahren musste er dann ziemlich oft in Notwehr handeln, um sich gegenüber Kopfgeldjägern, Texas Rangern oder Pistoleros zu behaupten, was ihm bald schon den Ruf eines Gentlemankiller einbrachte. Denn Hardin raubte keine Banken aus. Er überfiel auch keine Postkutschen. Er arbeitete ganz legal als Viehzüchter, Cowboy und Saloonbesitzer, und nachdem er sich eine reine Weste verschafft hatte, sogar als Anwalt. 1895 wurde er während eines Würfelspiels hinterrücks erschossen.
James Carlos Blakes Romanbiografie ist so aufgebaut, dass er in jedem Kapitel eine andere Person zu Wort kommen lässt, deren Lebensweg den Wes Hardins auf irgendeine Weise kreuzte, wie beispielsweise Kartenspieler, Viehdiebe, Gesetzeshüter, Huren, Knastbrüder oder andere Revolverhelden. Da die meisten Wegbegleiter mit ihm hart ins Gericht gehen, macht gerade diese Erzählweise, die ganze Sache äußerst abwechslungsreich und unterhaltsam – spannend ist die Geschichte sowieso. Ob der Mann nun ein Held war oder einfach nur der schnellste Revolverheld des Wilden Westens, völlig egal. Das hier ist ein Packen sehr guter Literatur.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln