Zum Buch:
Nach Zsuzsa Bánks Schlafen werden wir später liegt nun innerhalb eines Jahres schon der zweite Roman über Annette von Droste-Hülshoff vor – aber was für einer! Ein historischer Roman voller Witz und Esprit, dass man am liebsten mit diesem kurzsichtigen und vorlauten Freifräulein in die erstbeste Kutsche einsteigen und mitreisen möchte. Nur nicht zu den langweiligen Verwandtenbesuchen quer durchs Münsterland von Abbenburg nach Hinneburg zum Bökerhof, nein nach Kassel und Göttingen möchte man sie begleiten und sehen, wie die Brüder Grimm leben und forschen, wie die Romantiker schwärmen und sammeln und wie die Studenten burschenschaftlern und gelegentlich auch studieren.
Darunter auch Annettes oder Nettchens oder eben Nettes nur fünf Jahre älterer Onkel August von Haxthausen der mit seinen Kommilitonen der Poetischen Schusterinnung eine literarische Zeitschrift gründet und deren Herausgeber, den mittellosen Heinrich Straube, fördert – unseren „künftigen Goethe “, wie August nicht müde wird zu betonen.
Wie die Geschlechterverhältnisse waren, wissen wir längst, aber so böse gutgelaunt hat sie schon lange keiner mehr erzählt und ganz nebenbei und erhellend mit der deutschen (Literatur-)Geschichte verwoben: Wir besuchen den verschrobenen Jacob Grimm in der Bibliothek des Fridericianum, spazieren mit dem schüchternen Wilhelm Grimm auf die Wilhelmshöhe, erleben den Anschlag auf Kotzebue, begegnen Heinrich Heine … Nette hat dabei wenig Interesse auf dem ihr zugewiesenen Platz im Haus zu verweilen noch die dort typischen Aufgaben zu erledigen. Außerdem besitzt sie die unerhörte Dreistigkeit, sich mit den Männern zu unterhalten, überhaupt: die Worte, die Sprache, ihre Gedichte – ernsthafte Dichtung vermag nur der Mann zu schaffen, weshalb es geradezu ein Affront ist, dass just der als ‚der neue Goethe’ titulierte Straube ihr Talent erkennt und sie als die wahre Dichterin bezeichnet. Eine Intrige wird geschmiedet, um das störrische Weibsbild zu brechen und in ihre Schranken zu weisen. Dem Spiel der mächtigen Männer wird zwar Drostes Liebe, aber nicht ihre Dichtkunst zum Opfer fallen.
Duve vermag tatsächlich so erfrischend darüber zu erzählen, dass man seine Romantiker und die Droste selbst endlich mal wieder zur Hand nimmt und zugleich wie bei allen guten historischen Romanen auch etwas über die Gegenwart erfährt, etwa wenn auf er Suche nach einer nie vorhandenen Nationalmode altdeutsche Trachten umgebunden werden.
Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt