Zum Buch:
Es hat nicht mal zwei Wochen gedauert, bis Zsuzs Bánks neuer Roman wieder auf den Bestsellerlisten stand. Um den Verkauf des Buches anzukurbeln, muss man das Buch also nicht mehr besprechen, aber vielleicht als Verteidigung gegen die Bestsellerlisten? Denn Bánks neuer Roman ist alles andere als sein Cover – ein harmloses Blumenstilleben – vermuten lässt. Bánks neuer Roman ist nicht harmlos, er lässt tief blicken in unsere gegenwärtige Gesellschaft – auch in die Mechanismen des Kulturbetriebs. Denn anders als Didier Eribons Rückkehr nach Reims, dem aufklärerische Macht zugeschrieben wird, weil er angeblich erklärt, wie die ehemals links orientierten Arbeiter Frankreichs zu Front National-Wählern wurden, wird Bánks neuem Roman keinerlei politisches Gewicht attestiert. Aber so wie Eribons Rückkehr nach Reims entgegen der Rezeption, die nur den politischen Aspekt betont, auch ein intimer Bericht über das Leben ist, ist auch Schlafen werden wir später politisch, denn es zeigt sehr genau und in unglaublicher Behutsamkeit unsere Geschlechterbeziehungen, unsere Abhängigkeit von romantischen Vorstellungen und die Ereignisse, die unser aller Leben erschüttern: Krankheit, Tod und die Geburt von Kindern. Aber hübsch der Reihe nach.
Alles, was in Bánks neuem Roman passiert, erfährt der Leser über die Brieffreundschaft der beiden Frauen Márta und Johanna , die eine Schriftstellerin in Frankfurt, die andere Lehrerin im Schwarzwald. Eine ungewöhnliche Brieffreundschaft und ein aus der Zeit gefallener Briefroman, könnte man meinen, denn die beiden schreiben sich Mails, die so unwirklich lang sind, als würden sie aller technischen Unmöglichkeit zum Trotz mitten aus der Romantik stammen. Aus einer Zeit also, als Annette von Droste-Hülshoff ihre Gedichte schrieb, die Gegenstand von Johannas Doktorarbeit sind und die Johanna etliche Male an den Bodensee und nach Marbach ins Literaturarchiv führen.
Das hört sich nicht wirklich danach an, als müsste man diesem Briefwechsel über fast 700 Seiten folgen. Aber Sie werden es am Ende doch getan haben, denn diese Briefe ziehen den Leser in ihren Bann. Zsuzsa Bánk verleiht ihnen eine poetische Macht, die umwerfend ist und den ach so profanen Mailverkehr unserer Zeit verzaubert. Was könnte es auch Intimeres geben als solche Briefe – und seien es auch nur E-Mails. Wie da die eine, Mutter dreier Kinder, zwischen Krankheitswellen und wechselnden Kinderfrauen ihren zweiten Roman schreibt und von Selbstzweifeln geplagt endlich auf Lesereise geht, wie die andere noch mit Mitte Vierzig an ihrer Doktorarbeit sitzt, ihrem Exmann nachtrauert und nach der Krebserkrankung das Leben langsam wieder lernt, das wirkt als Setting so intim und privat, dass man versucht ist zu glauben, das alles gehe einen gar nichts an – aber schonungsloser lässt sich das Leben nicht in den Blick nehmen und erhellender wurde schon lange nicht mehr über Beziehungen und Freundschaft geschrieben, über die Anstrengung und das Glück, am Leben zu sein.
Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt