Zur Autorin/Zum Autor:
Johanna Adorján, 1971 in Stockholm geboren, studierte in München Theater- und Opernregie. Seit 1995 arbeitet sie als Journalistin, seit 2001 in der Feuilleton-Redaktion der »FAS«. »Eine exklusive Liebe« ist ihr erstes Buch.
Zwei Menschen, die miteinander alt geworden sind, beschließen, sich das Leben zu nehmen. Er ist schwer krank, sie will nicht ohne ihn sein. An einem Sonntag im Herbst 1991 setzen sie ihren Plan in die Tat um. Sie bringen den Hund weg, räumen die Wohnung auf, machen die Rosen winterfest, dann sind sie bereit. Hand in Hand gehen Vera und István in den Tod, es ist das konsequente Ende einer Liebe, die die ganze übrige Welt ausschloss, sogar die eigenen Kinder.
(Klappentext)
Auch wenn es politisch nicht korrekt sein mag, gestehe ich: manchmal wird es mir zu viel mit den jungen Schriftstellern, die entweder einen alten Nazi oder jemand von den Nationalsozialisten Verfolgten aus einer (oft der eigenen) familiären Vergangenheit zerren und deren Schicksal mehr oder weniger literarisch versiert aufbereitet, dem Leser präsentieren. Ich bin dann aber auch immer wieder erfreut und erstaunt, wenn es so ganz anders geht.
Johanna Adorján hat mit ihrem Romandebüt Eine exklusive Liebe die Geschichte ihrer Großeltern erzählt, die sich im hohen Alter gemeinsam das Leben nahmen. Vera und István, ungarische Juden, haben den Holocaust überlebt. Der Großvater war in Mauthausen, die Großmutter und das erstgeborene Kind lebten mit falschen Papieren in Budapest. Nach Kriegsende wurden beide Kommunisten, nicht aus Überzeugung, sondern aus der Notwendigkeit, als Juden unauffällig leben und arbeiten zu wollen. 1956 flohen sie während des Volksaufstandes nach Dänemark, wo sie bis 1991 lebten, bis zu ihrem Entschluss, gemeinsam zu sterben. Der Enkelin sind die beiden als ein elegant-verschrobenes Paar in Erinnerung, das sämtliche Fragen nach den Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit mit einem freundlich-bestimmten: Davon sprechen wir nicht abblockte. Trotz der Erfahrungen von Verfolgung und Entwurzelung sind die Großeltern durchaus dem Leben zugewandt: kettenrauchend, musikbegeistert, gesellschaftlich eingebunden, und so hat diese Redeverweigerung offensichtlich nicht den lähmenden Einfluss, den das Schweigen der Holocaustüberlebenden so oft auf die folgenden Generationen legt. Sechzehn Jahre nach dem Tod der Großeltern macht sich Johanna Adorján daran, die blinden Flecken in deren Leben aufzudecken. Mit den Recherchen bei uralten Freunden des Paares und ihren eigenen Erinnerungen entsteht nicht nur deren Leben aus der Vergangenheit, die Autorin entdeckt auch sich selbst neu. So erkennt sie in der Weigerung der Großeltern, sich als Juden zu definieren, ihr eigenes Gefühl, nirgends dazugehören zu können. In den Text verwoben sind fiktive Passagen, in denen die Autorin die letzten Lebenstage und den Selbstmord erzählt. Johanna Adorján schafft es, diese Geschichte fast heiter und leicht zu erzählen. Nie ist der Leser aufgefordert, sich identifikatorisch in Mitleid oder Schuld zu begeben. Der Text ist angenehm distanziert, in einer schnörkellosen, schönen Sprache geschrieben. So als hätte die unsentimentale Haltung der Großeltern den Ton des Buches bestimmt.Ruth Roebke, Autorenbuchhandlung Marx & Co, Frankfurt