Zum Buch:
Zum 100. Geburtstag von József Molnár, genannt Joschi treffen sich seine Nachfahren in Weimar: Gabor, der statt einer Familie eine Plattensammlung hat; Hannah, die ihren jüdischen Wurzeln gefolgt ist, 1982 in einem Kibbuz war und dort die Hora getanzt hat; Marika, frisch geschieden, die einzige, die Joschi als Vater erlebt hat, und Lily, ihre 16-jährige Tochter, deren geniale Idee die Halbgeschwister nachts auf die Polizeiwache von Weimar führt. Lily ist es auch, die die Geschichte dieses Familientreffens und damit die Geschichten von Joschi erzählt.
Stellen Sie sich folgende Szene vor: 1959 stehen drei Frauen um ein Krankenbett, in dem ein Mann liegt, der gerade einen Selbstmordversuch überlebt hat. Der Mann ist Joschi Molnár, die drei Frauen sind seine Exfrau, seine Ehefrau und seine Geliebte, letztere beiden schwanger. So beginnt Susann Pásztors erster Roman, und er endet (bei diesem Roman darf man das vorweg erzählen), er endet unter anderem mit einer auf dem Tisch ausgeschütteten Packung Buchstabennudeln, aus deren Zufallswörtern Joschi, der Vater, für seine Tochter Marika eine Geschichte zusammenreimt, so wie er alle seine Geschichten, vielleicht auch viele aus seinem Leben, zusammengereimt hat. Es ist nämlich keineswegs sicher, dass József Molnár jüdischer Abstammung war. Ebenfalls ungeklärt bleibt, ob er tatsächlich in Buchenwald interniert war, denn an dem Tag, an dem Gabor, Hannah, Marika und Lily Buchenwald besuchen, ist das Archiv geschlossen.
Dieser Roman lebt von seinen unzähligen traurigen, lustigen, offenen Geschichten. Zwischen den Halbgeschwistern wird gestritten, gelacht, gebeichtet, geschwiegen, und alles hat seinen Platz, die Trauer neben der Wut, Missverständnisse und Ausgelassenheiten neben der leichten Berührung. Ein Roman mit vielen Facetten, ein Roman, den ich sehr gerne gelesen habe, weil er eindringlich ist, ohne aufdringlich zu sein.
Susanne Rikl, München