Zum Buch:
Marc Schlosser kann sich nicht beklagen: Er lebt mit seiner attraktiven Frau Caroline und den beiden wohlgeratenen Töchtern Julia und Lisa in Amsterdam. Marc ist Hausarzt und unterhält eine gut laufende Praxis. Der Großteil seiner Patienten sind Künstler, die es schätzen, dass er ihnen jedes gewünschte Medikament verschreibt. Ständig erhält er Einladungen zu Vernissages und Theater-Premieren. Der äußere Schein bestimmt Marcs Leben, doch hinter dieser Fassade steckt eine bösartige und herablassende Natur. Marc verachtet andere Menschen. Seine Patienten und deren Körper sind ihm zuwider und insgeheim macht es ihm Freude, sie bei Untersuchungen zu erniedrigen.
Einer seiner Patienten ist der erfolgreiche Schauspieler Ralph Meier. Eine stattliche, laute Erscheinung, eitel und selbstgefällig. Ein Mann, der Marc gleichwohl fasziniert und abstößt. Ralph hat zwei Söhne in Julias und Lisas Alter und lädt Marc samt Familie über den Sommer in sein Ferienhaus ein. Obwohl sich Caroline sträubt, kommt Marc dieser Einladung nach, nicht zuletzt, weil er ein Auge auf Ralphs Frau Judith geworfen hat.
Die Kinder amüsieren sich prächtig am Pool, Caroline arrangiert sich mit der Situation, indem sie zuviel Wein trinkt und Marcs Annäherunsversuche bei Judith zeigen Wirkung – doch dann überschlagen sich die Ereignisse und ein Jahr später ist Ralph Meier tot und Marc muss sich vor der Ärztekammer verantworten.
In vielen kleinen Retrospektiven konstruiert Herman Koch ein ungemein spannendes Familiendrama und gibt dem Leser Puzzlestück für Puzzlestück Einblick in die Geschehnisse des Sommers, dabei bewegt er sich ständig am Rande menschlicher Abgründe. Seine Protagonisten sind keine Sympathieträger. Sie sind rücksichtslos, Macht- und Sexbesessen, menschenverachtend und nicht in der Lage, Dinge aus einer anderen, als der eigenen Perspektive zu betrachten.
Beim Lesen stellt sich immer wieder die Frage nach moralischen Werten. Wo hören eigene moralische Grenzen auf, wenn man sich in einer Extremsituation befindet, welche Grenzen steckt das persönliche Umfeld oder die Gesellschaft im Allgemeinen?
Wie schon sein erster Roman „Angerichtet“, birgt dieses Buch eine Menge Diskussionspotential und zeigt erneut, dass Herman Koch einfach gut schreiben kann.
Silke Bexhöft, autorenbuchhandlung marx co, Frankfurt am Main