Zum Buch:
Eine einfache Rechnung:
Ein normaler Fischkutter kann mindestens 350 Personen aufnehmen. Die Überfahrt von Sfax in Tunesien auf die italienische Insel Lampedusa kostet 1500,- pro Kopf. Das macht 525.000,- Umsatz. Zieht man davon die geringen Kosten für den Kutter, den Diesel und die anfallenden Schmiergelder ab, so bleibt am Ende ein Reingewinn von ca. 490.000,- übrig. Pro Fahrt.
Aber nach Sfax muß man erst einmal kommen. Der einzig mögliche Weg dorthin führt entbehrungsreiche Tausende Kilometer durch die Wüste. Wer es sich leisten kann, der chartert einen Jeep. Aber das können nur die Allerwenigsten. Die Masse reist daher auf den Ladeflächen von Lkws.
Für die wenigen, die es schließlich bis an das Ziel schaffen, als illegaler Sklave in einem EU-Staat zu arbeiten, ist der Weg teuer erkauft, sie haben dafür all ihre Habe veräußert und/oder sogar noch Schulden gemacht. Doch das Schicksal all derer, die auf der Strecke geblieben sind oder sogar mit ihrem Leben bezahlt haben, schreckt jene, die abgefangen wurden und gleich in Auffanglagern landeten, nicht davon ab, es wieder und wieder zu versuchen. Ein Milliardengeschäft.
Zusammen mit einem knappen Hundert anderer Menschen, getarnt unter dem Namen Bilal, ohne Ausweis und nur mit einigen Kanistern Wasser und etwas Nahrung ausgerüstet, hat sich der italienische Journalist Fabrizio Gatti auf den Weg vom Senegal bis nach Tunesien, an die Küste nach Sfax begeben. Auf der Ladefläche eines Lkws. In seiner herausragenden Reportage hat er den Leidensweg der Armutsflüchtlinge des 21. Jahrhunderts nachgezeichnet, schonungslos offen und leicht verständlich. Eines dieser Bücher, dem man nur viele, viele Leser wünschen kann.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln