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Autor
Karski, Jan

Mein Bericht an die Welt

Untertitel
Geschichte eines Staates im Untergrund. Übersetzt von Franka Reinhart, Ursel Schäfer
Beschreibung

Dass Jan Karski, eine der zentralen Figuren des polnischen Widerstands, die Alliierten schon 1942/43 mit der Realität des Holocaust konfrontierte, hat ihm in Israel einen Platz unter den »Gerechten« eingetragen. Sein Lebensbericht »Story of a Secret State«, 1944 unmittelbar unter dem Eindruck der Ereignisse geschrieben, wurde in den USA zu einem Sensationserfolg. Danach schienen Autor und Buch verschollen, bis Claude Lanzmann den herausragenden Zeitzeugen für seinen Film »Shoah« interviewte.

Heute wird Jan Karski neu entdeckt, und erstmals liegen seine außergewöhnlichen Memoiren auf Deutsch vor – ein Dokument allerersten Ranges, Zeitgeschichte, die sich wie ein Kriminalroman liest.

Verlag
Kunstmann Verlag, 2011
Format
Gebunden
Seiten
624 Seiten
ISBN/EAN
978-3-88897-705-3
Preis
28,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Jan Kozielewski wurde 1914 in Lodz geboren, 1942 nahm er den Namen Karski an. Seit 1939 Kurier der polnischen Untergrundbewegung, gelangte er 1943 in die USA und wurde von Präsident Roosevelt empfangen. Er blieb dort nach seiner Enttarnung und lehrte bis zu seinem Tod im Jahr 2000 als Professor für Politikwissenschaften an der University of Georgetown in Washington

Zum Buch:

Bereits wenige Tage nach dem Überfall der Deutschen auf Polen 1939 gerät der junge polnische Offizier Jan Kozielewski in sowjetische Gefangenschaft. Über die Aufteilung Polens hatten Hitler und Stalin sich insgeheim ja bereits vor der Invasion geeinigt. Nach einem Gefangenenaustausch zwischen den Deutschen und den Sowjets gelingt ihm und einigen weiteren Gefangenen die Flucht. Kozielewski ist Patriot und will für sein Land kämpfen. Sobald sich die Gelegenheit bietet, schließt er sich dem Widerstand an. Schnell wird er zu einem wichtigen Kurier innerhalb Polens, zum Übermittler von Nachrichten zwischen den noch vereinzelt agierenden Parteien und Gruppierungen des Widerstandes. Durch seine Rolle als Kurier ist Kozielewski maßgeblich an der Koordination des Aufbaus des Polnischen Widerstandes, der Heimatarmee und des Polnischen Untergrundstaates beteiligt. Auf einer seiner Missionen wird er in der Slowakei von der Gestapo gefasst, fast zu Tode gefoltert und schließlich in einer spektakulären Aktion von Untergrundkämpfern befreit.

Im Sommer 1942 – Kozielewski arbeitet mittlerweile unter dem Decknamen Jan Karski – wird er vom Polnischen Regierungsbevollmächtigten in Warschau, Cyryl Ratajski, mit der Aufgabe betraut, als „politischer Gesandter des zivilen Kampfes“ im besetzten Polen der Polnischen Exilregierung in London wichtige Instruktionen und Dokumente zu überbringen. In seinem Gepäck befindet sich auch ein Mikrofilm der Heimatarmee mit Dokumenten über die sogenannte „Große Aktion“ im Warschauer Ghetto. Immer um Wahrheit und Wahrhaftigkeit bemüht, lässt Karski sich in ein Vernichtungslager und ins Warschauer Ghetto einschleusen, um mit eigenen Augen zu sehen, was die Welt nicht glauben will. Im Ghetto nimmt er als mündliche Botschaft der noch lebenden polnischen Juden den verzweifelten Hilferuf und Appell an die Politiker der Alliierten auf, endlich die systematische Vernichtung der Juden zu stoppen. Die westlichen Alliierten haben jedoch andere Interessen und Strategien im Krieg gegen Hitler-Deutschland; und wie wir aus der Geschichte wissen, wurde der Hilferuf aus Warschau ignoriert.

Jan Karski wird dieses Scheitern sein Leben lang als persönliches Versagen und Schuld empfinden, obwohl er mit größtem persönlichen Risiko und unter Einsatz seines Lebens alles versucht hatte, um der „Endlösung“ Einhalt zu gebieten. 1944 erscheint in den USA sein Buch „Story of a Secret State“. Es wird über Nacht zum Bestseller und sein Autor zum gefeierten Helden des Polnischen Widerstands. Detailliert und facettenreich berichtet Karski darin von seinen Aufgaben und seinem Wirken als Kurier, über Aufbau und Funktion des Untergrundstaates und des Widerstandes zwischen 1939 und 1942. Er schildert aber auch seine vergeblichen Bemühungen, die Alliierten zum Handeln zu bewegen, um die noch lebenden Juden zu retten.

2011, also erst 67 Jahre später, ist dieses wichtige und erhellende Buch endlich auch in einer deutschen Übersetzung erhältlich, die auf dem englischen Originaltext von 1944 und einer französischen Neuausgabe von 2010 beruht, versehen mit einem ausführlichem Anmerkungsapparat und einer fundierten Einleitung der Herausgeberin Céline Gervais-Francelle. Ich empfehle dieses lehrreiche Buch wärmstens allen, die ihre Kenntnisse über Polen im 2. Weltkrieg erweitern und/oder einfach nur eine unglaublich spannende Biographie lesen möchten.

Ralph Wagner, Buchladen & Café, Frankfurt