Alle Empfehlungen

Drucken

Alle Empfehlungen

Autor
Michon, Pierre

Die Elf

Untertitel
Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer
Beschreibung

Pierre Michon ist einer der bedeutendsten französischen Gegenwartsschriftsteller. Im Mittelpunkt seiner neuen Erzählung »Die Elf«, einer meisterhaft vertrackten historischer Novelle, steht das berühmteste Gemälde der Französischen Revolution, das im Louvre hinter Panzerglas hängt und elf Direktoriumsmitglieder im Jahr II der Schreckensherrschaft porträtiert. Michon erzählt von dem Maler und dessen Familiengeschichte, von den elf Porträtierten und davon, wie und warum der Künstler den Auftrag zu diesem Bild erhielt.
Dieses besondere Bild, »Die Elf«, schreibt Michon, bilde Geschichte nicht ab, sondern »sei« Geschichte, ihr Schrecken. Seine ebenso knappe wie virtuose Erzählung baut eine ganz eigene Spannung auf und hält sie, bis zum überraschenden Schluß.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2013
Format
Gebunden
Seiten
119 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-22474-8
Preis
17,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Pierre Michon wurde am 28. März 1945 im französischen Département Creuse (Massif Central), im Dorf Les Cards geboren, wo seine Eltern als Grundschullehrer arbeiteten. Zwei Jahre nach der Geburt des Sohnes verließ der Vater die Familie.

Später studierte Michon in Clermont-Ferrand Literatur. Nach langen Jahren der schriftstellerischen Selbstfindung gelang ihm 1984 mit 37 Jahren der Durchbruch: Für Vies minuscules (Leben der kleinen Toten) erhielt er 1984 den “Prix France Culture”, dem weitere Preise folgten. Heute gilt Pierre Michon als einer der bedeutendsten französischen Gegenwartsschriftsteller.
Pierre Michon lebt mit Frau und Tochter in Nantes.

Zum Buch:

Kennen Sie das Bild „Die Elf“ des bekannten französischen Malers Francois-Élie Corentin? Ich kannte es auch nicht, aber man kann ja auch nicht alles kennen, und ich muss zugeben, dass bei mir gewisse Lücken in der Kunstgeschichte vorhanden sind. Aber es hängt im Louvre und wird als das „berühmteste Gemälde der Französischen Revolution“ apostrophiert, das sogar die Mona Lisa in den Schatten stellen soll. „Die Elf“ – das sind die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses des Französischen Revolution: Billaud, Carnot, Prieur, Prieur, Couthon, Robespierre, Collot, Barère, Lindet, Saint-Just, Saint-Andrè. Gemeinsam versammelt auf dem gleichnamigen Bild, vor den sich die Bewunderer drängen, trotz der spiegelnder Glasscheibe, die immer wieder den Blick versperrt, gemalt im Thermidor und in Auftrag gegeben von – ja, von wem eigentlich? Warum wurde dieses so bekannte Bild gemalt? Um Robespierre und seine Anhänger zu desavouieren? Um ihnen zu huldigen? Darauf hat selbst Jules Michelet keine endgültige Antwort, der sich in seinem berühmten Werk über die französische Revolution ausführlich über das Bild auslässt.

Akribisch lässt Pierre Michon seinen – kunsthistorisch ausgesprochen versierten – Erzähler den Besuchern im Louvre die Lebensgeschichte des Malers erzählen – seine Lehrzeit bei Tiepolo, der ihn als blonden Pagen auf seinem Deckengemälde in Würzburg verewigte, seine Familiengeschichte, sein Aufstieg im Limousin, seine Zeit in Paris und schließlich der geheimnisvolle Auftrag, der ihn unsterblich machen wird – und natürlich die Geschichte des Bildes selbst. Am Ende des schmalen Bändchens ist man, begeistert von der kunstvollen Beschreibung, den klugen historischen Ausführungen und den Reflexionen über Kunst und Macht, geneigt, sich den Fahrplan des TGW herauszusuchen und die nächste Parisreise zu planen, um möglichst bald vor diesem Bild zu stehen und es mit ganz neuen Augen betrachten zu können – wenn, ja wenn man es denn sehen könnte. Denn was kann die spiegelnde Glasscheibe, die dieses großartige Werk schützt, anderes zeigen als den Betrachter selbst? Gibt es das Bild überhaupt? Oder existiert es nur auf den Seiten dieser Novelle? Und ist es in dieser brillanten Beschreibung nicht sogar besser aufgehoben als im Louvre? All diese Fragen mag derjenige, der sich auf das großartige Vexierspiel dieses Büchleins einlässt, beantworten oder auch nicht – aber ganz sicher hat er einen literarischen Witz der Extraklasse kennengelernt und sich bei der Lektüre ausgezeichnet amüsiert.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main