Zum Buch:
Was passiert, wenn man ein Land durchläuft? Wenn man nichts weiter mit sich führt, als was in einen Rucksack passt, wenn die Strecken, die man überwindet, von der eigenen Körperkraft und der mentalen Ausdauer bestimmt werden? Wenn man sich dem aussetzt, was einem die Welt gerade zumutet: Wetter, Landschaft, Menschen, Tiere? Sind die Erfahrungen, die Begegnungen, die man macht, anders als die „normaler“ Reisender? Offensichtlich ist das so, und genau das macht Wolfgang Büschers Reisebeschreibungen so beeindruckend und spannend.
Diesmal ist er in Amerika unterwegs. 3.500 Meilen hat er vor sich, von der kanadischen Grenze bis nach Mexiko. Über kein anderes Land, durch das er gereist sei, habe er mehr gelesen und mehr gesehen als über dieses, schreibt er. Kein anderes war ihm durch Filme, Romane und Reportagen vertrauter. Aber dann steht er an einem Wintermorgen in Dakota in einer Landschaft, die ihn mit ihrer Leere und Fremdheit überwältigt. Er läuft los. Anders als die meisten, die das Land durchqueren, reist er nicht von Ost nach West, sondern von Nord nach Süd. Durch Amerikas schäbige, grandiose Mitte.
Manchmal wird er eine Strecke von einem Pick-up mitgenommen, manchmal fährt er mit dem Bus. Aber die meiste Zeit geht er. Durch kleine Städte, die nichts weiter sind als Ansammlungen zugiger, leichter Häuser, oder durch Wohnwagensiedlungen inmitten von Schrott und Müll. Dann wieder weiter durch diese unglaubliche, menschenleere Weite. Von den Great Plains hinunter bis zu den riesigen Ranches in Texas.
Zwei mal wird Büscher von Sheriffs aufgegriffen, ansonsten kümmert sich kaum einer um den seltsamen Kauz, der auf den Seitenstreifen der Straßen herumläuft. Nur einmal brüllt ihm einer aus dem Wagenfenster entgegen: „Get youself a car!“. Er übernachtet in schäbigen Motels, isst in immer gleichen Diners, trifft auf Menschen, mit denen das Leben nicht gerade sanft umgeht. Die meisten arbeiten hart und erreichen wenig, aber sie klagen nicht. „Wohlfahrt“ lehnen sie aus tiefstem Herzen ab. Die Besitzerin eines kleinen Hotels sagt es so: „Wir arbeiten, verstehen sie? Wir arbeiten, bis wir alt sind. So ist es immer gewesen, so soll es bleiben.“ Und auf seine Frage, was mit denen sei, die nicht mehr können, antwortet sie: „Wissen sie was? Wir spielen. Wir spielen und hoffen, es geht gut.“ Hartland – der Name für eine verlassene Stadt im Norden, die eigentlich einmal Heartland hieß – wird zum Synonym für das Land, das er durchquert.
Büscher schafft es, all dem bereits Geschriebenen, Bekannten über Amerika etwas Neues hinzuzufügen. Das Laufen erzeugt einen Rhythmus, dem Büschers Sprache folgt. Sie ist klar, lakonisch, manchmal durchaus pathetisch, oft komisch. Dieses Buch liest sich einfach großartig – und außerdem lernt man das eigene Sofa dabei doch sehr schätzen!
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt