Zum Buch:
Paris 1926. Der junge Schweizer Ludwig Hohl, ein eher unbeachteter Autor und Philosoph, der bisher nur einen kleinen Gedichtband im Selbstverlag publiziert hat, verbringt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Musikerin Gertrud Luder, einige Wochen und Monate in der französischen Hauptstadt. Er schließt sich einer Gruppe von fast ebenso unbekannten Malern, Künstlern und Schriftstellern an, mit denen er nachts durch die Straßen der Arrondissements spaziert. Es sind allesamt arme Leute, Trinker und Schnorrer ganz unterschiedlicher Nationalitäten, Schweizer vor allem, aber auch Deutsche, Holländer, ein Russe, eine Polin etc. Man schläft am Tag und trifft sich jeden Abend in denselben runtergekommenen Billigrestaurants und Bars rund um den Montparnasse. Man redet über Literatur, Musik und Malerei, man pumpt sich gegenseitig an für eine Mahlzeit, eine Flasche Wein, eine Übernachtung im Hotel oder einen Besuch in einem der vielen Bordelle am Place de Clichy. Treffpunkt der ungewöhnlichen Truppe ist das Café La Rotonde, das unmittelbar in der Nachbarschaft zu Hohls billiger Wohnung nahe beim Jardin du Luxembourg liegt. Hier sitzen sie dann und philosophieren, bauen Luftschlösser, bevor sie dann gemeinsam aufbrechen zu einem ihrer Marathon-Spaziergänge. Unterwegs treffen sie auf die verschiedensten Nachtgestalten: verwahrloste Bettler, Bordellmädchen, Zuhälter, Arbeiter, Studenten und lichtscheues Gesindel. Abseits der großen Boulevards gab es zur damaligen Zeit noch keine feste Straßenbeleuchtung in den meisten Straßen und Gassen, die Flaneure fühlen sich jedoch sehr wohl in diesem Milieu, man kehrt in billigste Kneipen ein, ißt eine Kleinigkeit, diskutiert lebhaft, streitet sich mitunter, liegt sich betrunken in den Armen und findet immer erst in den frühen Morgenstunden zurück in die Hotels und Pensionen rund um das La Rotonde. Diese stundenlangen nächtlichen Spaziergänge, die sich später durch alle Arrondissements der Stadt ziehen werden, verarbeitet Ludwig Hohl, der engagierteste der Truppe, in seinen blauen Notizheften, die er Nacht für Nacht mit seinen Eindrücken füllt. Er ist dabei zunächst bemüht, alles völlig sachlich zu beschreiben, ohne Leidenschaft und ohne alles Autobiografische. Was ihm jedoch nicht gelingt, wie er schon sehr bald feststellen muß. Zum Glück, will ich behaupten, denn so kommen wir in den Genuß einer der kurzweiligsten literarischen Streifzüge, welche über diese Stadt und ihre Menschen verfaßt worden sind. Axel Vits, Der Andere Buchladen, Köln