Zum Buch:
Der Großmutter und ihrem privaten Fahrlehrer gelang es damals nur um Haaresbreite, aus dem mitten auf einem Bahnübergang liegen gebliebenen Citroën zu entwischen, bevor er von dem aus Lemberg kommenden Eilzug in einen Schrotthaufen verwandelt wurde…. Das ist nur eines von vielen außergewöhnlichen Ereignissen aus der Familiengeschichte des Autors, in der Automobile gleichsam die Klammer bilden, mit der die Episoden aus dem Leben der Großeltern und Eltern im Roman “Mercedes-Benz” zusammengehalten werden. Diese Ereignisse, die die Lebenswege der einzelnen Familienmitglieder beeinflussten, verknüpft Pawel Huelle gekonnt mit einer Reihe großer und kleiner Begebenheiten aus der wechselvollen Geschichte Polens der 1920er bis 90er Jahre. Was und, vor allem, wie hier erzählt wird, der Roman aufgebaut ist, lässt spielerisch die Virtuosität des Autors aufblitzen: Adressat der ohne Absatz erzählten Geschichte ist der beim Taubenfüttern aus dem 5. Stock zu Tode gestürzte Bohumil Hrabal. Ihm berichtet Huelle von seinen Fahrstunden in den 90er Jahren in einem kleinen Fiat beim schönen Fräulein Ciwle. In sie war er wohl auch ein wenig verliebt. Während des Fahrunterrichts erzählte er ihr, teils um die langen Wartezeiten in den vom Verkehrsstau verstopften Straßen zu überbrücken, teils um von seinem mangelhaften Fahrtalent abzulenken, die erwähnten Episoden aus dem Familienleben. Mit diesem wundervollen Roman gibt sich der Autor auch als ein Bewunderer des großen tschechischen Fabulierers Hrabal zu erkennen. Indem er formvollendet den Ton Hrabals und seine verschlungene Erzählweise aufgreift, das Skurrile im alltäglichen Leben der Menschen höchst amüsant, aber auch nachdenklich, bisweilen melancholisch schildert, ist Pawel Huelle ein kleines Meisterwerk gelungen. Unbedingt lesen!
Ralph Wagner, Ypsilon Buchladen & Café, Frankfurt.