Zum Buch:
Die Ehekrise von Mia und Boris ist nichts Besonderes: alternder Mann verlässt seine alternde Frau um einer knackigen jungen willen und hinterlässt einen Scherbenhaufen, mit dem die verlassene Ehefrau irgendwie zurechtkommen muss. Die hat mit einem Schlag alles verloren: emotionale Sicherheit, Freunde, Selbstbewusstsein, Identität. Um wieder Boden unter die Füße zu bekommen, geht Mia zurück: in die Kleinstadt, in der sie aufgewachsen ist und in der ihre mittlerweile über neunzigjährige Mutter in einer Altenwohnanlage lebt, zurück zu ihren Erinnerungen an die Zeit vor Boris. Sie wählt den Weg, der ihr als Dichterin und Literaturwissenschaftlerin am nächsten liegt, und schreibt an gegen die Verunsicherung, die Wut und die Verletzung. Mia schreibt auf, was ihr durch den Kopf geht, und schon bald ist das viel mehr als nur die zerbrochene Ehe. Sie interessiert sich mehr und mehr für das durchaus befriedigende Leben ihrer Mutter und deren Freundinnen, die tapfer und mit großer Heiterkeit die Beschwernisse und Freuden des Alters durchleben, wird in den Alltag ihrer jungen Nachbarin und deren munterer vierjähriger Tochter hineingezogen, schlägt sich neugierig und staunend mit einer Gruppe pubertierender Mädchen herum, die bei ihr einen Lyrikkurs absolvieren, und lässt sich auf einen hochphilosophischen Mailwechsel mit einem Unbekannten ein.
Siri Hustvedt versammelt im „Sommer ohne Männer“ mit Witz, Esprit und großer Ehrlichkeit Protagonistinnen eines Frauenlebens: von der Kindheit über Pubertät, Mutterschaft und Wechseljahre bis zum Greisenalter, das ausgesprochen vergnüglich zu lesen ist. Ihr Buch ist zudem eine wunderbare Hommage an die Grand Dame des – weiblichen – Gesellschaftsromans, Jane Austen, deren Bücher man nach der Lektüre unbedingt wieder lesen will. Kurz, ein „Frauenroman“, wie er gelungener nicht sein könnte. Das einzige, was mich gestört hat, sind die Gedichte, mit denen ich, ehrlich gesagt, gar nichts anfangen konnte, aber davon abgesehen war der „Sommer ohne Männer“ für mich ein reiner Genuss.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main