Zum Buch:
Franz Kafka im Alter von vierzig Jahren. Seit sechs Jahren ist er tuberkulös und sein auch vorher schon wenig selbst bestimmtes Leben spielt sich weitgehend im Kreis der Familie ab. In Prag bei den Eltern, unterbrochen von Zeiten im Sanatorium oder Ferienaufenthalten bei den Schwestern. Im Sommer 1923 reist er, geschwächt durch die Krankheit, an die Ostsee zu seiner Schwester Elli und ihrer Familie in die Sommerfrische. Man lebt zusammen in einem Haus nahe der Küste. Auf dem Nachbargrundstück ist ein Ferienheim für arme jüdische Kinder untergebracht. Dort lernt Kafka Dora Diamant kennen, eine junge Jüdin aus Berlin, die als Köchin in dem Heim arbeitet. Schnell verlieben sich die beiden ineinander und es geschieht etwas ganz außergewöhnliches: Der Dichter, der sein Leben lang ein – auch für ihn – unglückliches Spiel von Nähe und Distanz mit den Frauen spielt, der mehrere Verlobungen eingegangen ist und sie wieder gelöst hat, lässt sich auf die Beziehung ein. Mit Dora lebt er zum ersten Mal in einer eheähnlichen Beziehung und wohnt, gegen den Widerstand seiner Eltern, mit ihr zusammen in Berlin, bis er zum letzten Mal ins Sanatorium muss. Sie bleibt bei ihm bis zu seinem Tod.
Dieses letzte Jahr im Leben Kafkas – der im Buch immer nur „der Doktor“ genannt wird – erzählt Michael Kumpfmüller in „Die Herrlichkeit des Lebens“, und er schreibt einen Roman, keine Biographie. Der Autor kennt sich in den Texten, Briefen und Tagebüchern Kafkas aus, geht aber weit darüber hinaus. Indem er abwechselnd die Perspektiven von Kafka und Dora Diamant wechselt, entsteht ein dichtes und zartes Bild des Dichters, das über den bekannten Zauderer, gedemütigten Sohn und verquälten Schriftsteller hinausreicht. Und Dora, die von den Biographen zumeist stiefmütterlich behandelt wird und die auch, im Gegensatz zu Felice Bauer oder Milena Jesenská, keine Briefe hinterlassen hat, ist bei Kumpfmüller eine warmherzige, tatkräftige Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht und so gar nichts von der entsagenden, aufopferungsvollen Geliebten hat.
„Die Herrlichkeit des Lebens“ ist ein leises, über weite Strecken heiteres, auch humorvolles Buch, so einfühlsam wie unsentimental erzählt. Eine traurige und doch auch beglückende Lektüre, ein Buch, das man, obwohl es mit dem Tod endet, froh aus der Hand legt.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co. Frankfurt a.M.