Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Leshem, Ron

Wenn es ein Paradies gibt

Untertitel
Roman. Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
Beschreibung

„Sag mal, bist du unterbelichtet? Wieso kennst du dieses Spiel nicht? Es kann doch nicht sein, dass du es nicht kennst. Es heißt ‘Er wird nicht mehr’, und das spielen alle, wenn ihnen ein Kamerad getötet wird. Man wirft seinen Namen in die Runde, und jeder, der dabei ist, muss den Satz vollenden, muss sagen, was er nicht mehr wird.”

Verlag
Rowohlt.Berlin Verlag, 2008
Format
Gebunden
Seiten
352 Seiten
ISBN/EAN
978-3-87134-588-3
Preis
19,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Ron Leshem, 1976 in der Nähe von Tel Aviv geboren, arbeitete zunächst als Journalist, unter anderem bei Ma’ariv und beim Fernsehsender Channel Two. „Wenn es ein Paradies gibt“, ist sein erstes Buch. Die Verfilmung erhielt 2007 den Silbernen Bären für die beste Regie.

Zum Buch:

Vierzehn junge Männer treten im Frühjahr 1999 ihren Dienst im Libanon in der Festung Beaufort an, befehligt vom 21jährigen Leutnant Eres. Eres träumt vom wilden Leben, von Kämpfen und Killen, von Gemeinschaft, Freundschaft und Mut, aber genauso wie seine jungen Soldaten auch vom Nachtleben in Tel Aviv, von Mädchen, Abenteuerurlauben und von der Zukunft. Der Militärdienst ist selbstverständlich, eine kurze Zäsur zwischen Schule und Leben, Zweifel an seinem Sinn gibt es nicht. Das Leben in der Festung mit seiner Enge, den Wachdiensten und Beobachtungsgängen in schwerer Ausrüstung schweißt die Gruppe enger zusammen; Kontakte mit der Außenwelt beschränken sich zunehmend auf Fernsehen und Radio. Besonders Eres verliert immer mehr den Kontakt zum „normalen“ Alltagsleben, die beiden Realitäten – die des Krieges und die des zivilen Lebens – driften auseinander.

In diese abgeschottete Welt dringen via Radio und Fernsehen nach und nach die Proteste der israelischen Friedensbewegung gegen den Libanonkrieg und die Forderungen, die Truppen nach Hause zu holen. Bilder von zusammengebrochenen, weinenden Soldaten, Berichte über Truppenangehörige, die ihr eigenes Leben retteten, indem sie Kameraden nicht zu Hilfe kamen, verunsichern die Gruppe in der Festung. Gleichzeitig nehmen die Angriffe der Hisbollah zu, und es gibt die ersten Toten und Verwundeten. Der plötzliche Befehl, die Festung aufzugeben, lässt den Kampf und die Opfer sinnlos erscheinen. Auch die Geschichte der Helden, die unter Einsatz ihres Lebens Beaufort im Jahr 1982 eroberten und den jungen Leuten als Vorbild dienen, verlieren ihren Glanz, als klar wird, dass die Aktion sich dem Zufall verdankte und die zahlreichen Verluste völlig überflüssig waren. Die Truppe, die schließlich die Festung verlässt, ist um einige Illusionen ärmer – und sie verliert auch noch die letzten, als der Krieg weiter geht.

Ron Leshem erzählt diese Geschichte aus der Sicht seines Protagonisten Eres in einer zeitgenössischen Jugendsprache, großartig übersetzt von Markus Lemke,  die die Brutalität der Situation ungeschminkt vermittelt, gleichzeitig aber auch eine anrührende Zärtlichkeit im Verhältnis der Jugendlichen offenbart. Die bemerkenswert poetischen Schilderungen der Landschaft kontrastieren mit der realistischen Beschreibung der barbarischen Lebensbedingungen in der Festung. In seiner psychologischen Stimmigkeit und seiner rücksichtslosen Kritik an einer militärischen Führung, die ihre Soldaten verheizt, um die Lage zu schönen, ist „Wenn es ein Paradies gibt“ das zeitgenössische Gegenstück zu Remarques „Im Westen nichts Neues“. Man kann den Juroren zu ihrem Mut, das Buch 2006 mit dem bedeutenden israelischen „Sapir“-Literaturpreises auszuzeichnen, nur gratulieren. Und wenn hierzulande jemand Geld zuviel hat, wäre es eine gute Idee, eine Palette mit Ron Leshems Buch ins Verteidigungsministerium zu schicken.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main