Zum Buch:
Die Gegend um Ardmore in Pennsylvania ist bekannt für ihre ausgedehnten, dichten Waldgebiete, die sich weit nach Norden über das gewellte Land erstrecken. Der erste Tag der Sommerferien neigt sich dem Ende zu, noch ist es früher Abend, doch allmählich kriecht die Dunkelheit aus dem Kieferngehölz und legt sich über die Talsenke.
Die Familie Gallagher befindet sich gerade auf dem Heimweg, als im Wagen mit einem Mal ein heftiger Streit ausbricht. Nachdem vor rund einem Jahr ihr Mann gestorben ist, hat sich das Verhältnis zwischen der am Steuer sitzenden Faye und ihren fünf Teenagerkindern zusehends verschlechtert. Sie arbeitet oft bis spät in der Nacht in der Stadt oder verschwindet mitunter tagelang, um bei ihrem neuen Freund zu sein. Doch selbst wenn sie da ist, verhält sie sich meist abweisend, weshalb besonders die beiden jüngeren Mädchen längst begonnen haben, sich mit ihren Problemen an die ältere Schwester Libby zu wenden, der Ich-Erzählerin, die nichts unversucht lässt, die Familie zusammenzuhalten.
Die Auseinandersetzung im Wagen eskaliert. Faye verliert die Geduld, sie stoppt auf einer verlassenen, unbeleuchteten Brücke und zwingt ihre Tochter Ellen auszusteigen. Zur Strafe soll sie den restlichen Weg zu Fuß zurückzulegen. Ellen ist zwölf – aber so schmächtig, dass sie aussieht wie neun. Es ist mittlerweile völlig dunkel, und bis zum Haus sind es selbst dann, wenn man die Abkürzung durch den Kiefernwald nimmt, kaum weniger als zehn Meilen. Aber trotz allen Flehens der ängstlichen Geschwister bleibt die Mutter unerbittlich. Sie schließt die Beifahrertür und fährt weiter.
Erst spät in der Nacht taucht Ellen plötzlich wieder auf. Die Augen immer noch starr vor Schreck, Arme und Beine mit Abschürfungen übersät, die Kleider zerrissen. Sie berichtet Libby, was ihr auf dem Weg widerfahren ist, womit sie unbewusst etwas in Gang setzt, an dem die Gemeinschaft der Familie vollends zu zerbrechen droht. Es liegt nun an Libby, nicht nur alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das zu verhindern, sondern auch ihre Schwester Ellen vor einer lauernden Gefahr zu beschützen.
Die in Irland geborene Autorin Una Mannion, selbst in einer Großfamilie aufgewachsen, schildert in ihrem beeindruckenden Debütroman die Geschichte einer armen, schwer vom Schicksal getroffenen Familie, die tagtäglich mit dem Verlust des Zusammenhalts zu kämpfen hat. Es ist eine dem Leser sehr nahegehende, zum Ende hin zusehends an Spannung gewinnende Geschichte, die zum einen zeigt, dass Verrat und Loyalität oft dicht beieinanderliegen können, wenn man die Gründe hinterfragt, und dass man zum anderen einen Menschen nur so sehr lieben kann, wie es einem möglich ist – und um diese Liebe muss man kämpfen, bevor es ein anderer tut.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln