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Ruhe den Palästen
Die ganz und gar wahre Geschichte geht so: Zwei ziemlich beste Freunde fahren zusammen von Berufs wegen auf eine politische Konferenz ins Athen der Krisenjahre mit seinen stets von den Straßenschlachten des Vorabends gezeichneten Vierteln. Der Fauxpas ist vorprogrammiert. Während Häuserwände links und rechts mit veritablen Kriegserklärungen an Privatwohnungstourismus und Plattformkapitalismus geradezu gepflastert sind, lautet die Adresse der beiden Jungmarxisten ebenfalls: Airbnb. Die Inhaberin der schicken Dachgeschosswohnung, selbst wohnhaft auf den sprichwörtlichen griechischen Inseln, schärft ein: Rauchen ist erlaubt, aber egal, was passiert, unter gar keinen Umständen darf jemals das Gespräch mit den Nachbarn gesucht werden – denn die Vermietung an Touristen sei wegen der großen Wohnungsnot nicht gern gesehen und auch nicht erlaubt. Aber Verbote sind machtlos gegen den Zufall …
Den nicht so ganz wahren Teil der Geschichte hat sich Petros Markaris ausgedacht: Kommissar Kostas Charitos sorgt sich um den öffentlichen Frieden im Athener Zentrum, wo die Spannung zwischen Jugendarbeitslosigkeit und Altersarmut, Migration und Wohnungsnot zu explodieren droht. Ausgerechnet Charitos’ bester Freund schwingt sich zum Sprachrohr einer neuen politischen Protestbewegung der Armen und Ärmsten auf, deren Kundgebungen schnell zu einem Problem für die Spezialtruppen des Kommissars werden. Denn die Politik will nur eines: Ruhe auf den Straßen und ein möglichst friedliches Umfeld für die großen Bauinvestoren aus dem Ausland. Als ausgerechnet ein solcher wandelnder Geldsack eines Morgens brutal erdolcht aufgefunden wird, gerät Charitos in erhebliche Erklärungsnot: Hat ausgerechnet einer der Altkommunisten aus seinem Bekanntenkreis zugestochen? Die rechte Presse ist aus dem Häuschen: Endlich kommt Geld ins Land, und da haben die Linken nichts Besseres zu tun, als den Messias zu meucheln?! Schon findet sich die Ordnungspolizei zwischen Linken und Faschisten wieder, die bei hellem Tageslicht auf ihre Art für Ordnung sorgen wollen. Doch mit dem privatisierten Wohnungsbau wird es so schnell nichts, taucht doch schon ein weiteres Opfer auf – und auch die Familie des Kommissars ist nicht mehr sicher.
Markaris fängt gekonnt das politische Leben in einer überforderten Großstadt ein, die, finanziell ruiniert, alles tun muss, um Geld und Touristen anzulocken, und dafür auch mal die Akropolis zubetoniert, wenn es denn sein muss.
Florian Geisler, Karl Marx Buchhandlung, Frankfurt