Zum Buch:
Ein Roman über eine russisch-deutsche Liebe, über Russland von der Zarenzeit bis zur Perestrojka, über Petersburg, Daniil Charms und über das wundersame Wiederkehren der Zeit: Die russische Lyrikerin und Essayistin Olga Martynova, geboren 1962 in Sibirien, aufgewachsen in Petersburg, seit 1991 in Frankfurt am Main zu Hause, hat mit ihrem ersten in deutscher Sprache geschriebenen Roman eine weitere Brücke zwischen Russland und Deutschland geschlagen.
2500 Jahre umfasst die Zeitleiste, die in diesem Roman jedem Kapitel vorangestellt ist und in der die Jahre aufleuchten, über die gerade geschrieben, geredet, aus denen zitiert wird. Wie bewusst ist unser Umgang mit der Zeit? Wie ist das, wenn man nach 20 Jahren im Leben eine zweite Chance bekommt? Die Literaturwissenschaftlerin Marina hält 2006 auf einem Kongress einen Vortrag über Daniil Charms. Auch anwesend: Andreas, Andrjuschka, vor 20 Jahren Russischstudent in Leningrad, vor 20 Jahren Marinas große Liebe. Vor 20 Jahren? Wie die Autorin sich selbst, ihre Protagonisten und Leser aus der Zeit heraustreten lässt, indem sie die Jahreszahlen in einer Leiste versinnbildlicht, so reist Marina aus Russland heraus, um auf Russland zu blicken, erinnert sich, wie man in Leningrad, in einer Stadt, die heute wieder Petersburg heißt, vor 20 Jahren die Westdeutschen wahrnahm: “Die aus ‘Bundes’, sagte man damals.”
Wenn man mich fragen würde, was denn nun in diesem Roman im Vordergrund steht – die Liebesgeschichte zwischen Marina und Andreas, Daniil Charms, die Geschichte Russlands oder die Geheimnisse der Zeit -, dann würde ich antworten wollen: Nichts von all dem, sondern die Sprache, das Staunen, die Beobachtung. Olga Martynova bleibt als Romanautorin Lyrikerin, sie verwandelt die Kapitel in Skizzen, in Gemälde. Wenn man ihr Buch zu Ende gelesen hat, kann man mühelos von vorne beginnen, in den Kreislauf der Zeit eintreten, immer wieder auf Entdeckungsreise gehen.
Susanne Rikl, München