Belletristik

Drucken

Buchempfehlung Belletristik

Autor
McEwan, Ian

Abbitte

Untertitel
Roman. Aus d. Engl. v. Bernhard Robben
Beschreibung

An einem heißen Tag im Sommer 1935 spielt die 13-jährige Briony Tallis Schicksal und verändert dadurch für immer das Leben dreier Menschen. Ein Roman über Leidenschaft und die Macht des Unbewussten, über Reue und die Schwierigkeiten der Vergebung.

Verlag
Diogenes, 2004
Format
Taschenbuch
Seiten
533 Seiten
ISBN/EAN
978-3-257-23380-3
Preis
12,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Lüge oder folgenschwerer Irrtum? Ian McEwan erzählt in seinem Roman “Abbitte” die Geschichte der dreizehnjährigen Briony, die an einem heißen Sommertag im Jahr 1935 den Vergewaltiger ihrer Cousine erkannt zu haben glaubt und das Lebensglück ihrer älteren Schwester zerstört.

Zum Buch:

Bösewichte, Ehrenleute, Verrückte, untadelige Mädchen aus guter Familie,… – ein Schriftsteller kennt seine Personen in- und auswendig, weiß, was sie bewegt, kennt ihre Wünsche, versteht die Hintergründe ihres Handelns. Mit Phantasie, Intuition, Menschenkenntnis schlüpft er in ihre Haut. Die dreizehnjährige Briony, Heldin in Ian McEwans Roman “Abbitte” schreibt schon seit zwei Jahren. Ihr erstes Theaterstück, “Die Heimsuchungen Arabellas” soll anlässlich der Heimkehr ihres großen Bruders Leon aufgeführt werden. Es ist Sommer im Jahr 1935, ein heißer Tag. Auf dem Landsitz der Familie Tallis im südenglischen Surrey bereiten alle die Ankunft des Bruders vor, der in Begleitung eines wohlhabenden Freundes eintreffen wird: Mutter Emily, Cecilia, Brionys zehn Jahre ältere Schwester, und Briony selbst, die mit ihrer fünfzehnjährigen Cousine Lola und deren neunjährigen Brüder Jackson und Pierrot das Theaterstück einstudiert. Während der Proben beobachtet Briony vom Fenster aus eine seltsame, verwirrende Auseinandersetzung von Cecilia mit ihrem Kinder- und Studienfreund Robbie Turner, in deren Verlauf Cecilia vor Robbies Augen bis auf die Unterwäsche nackt in den Brunnen steigt. Als Robbie Briony später einen Brief für Cecilia gibt, kann sie sich nicht beherrschen, öffnet ihn und liest ein entsetzliches, verstörendes Bekenntnis. Sie will ihre Schwester schützen, doch kann nicht verhindern, dass Robbie in der dunklen Bibliothek irgendetwas mit Cecilia macht. Auf diesem Nährboden kann ein fataler Irrtum entstehen, in den sich das Mädchen lange Zeit verbeißen wird: Als Lola in der Nacht im Garten vergewaltigt wird, ist Briony sicher, Robbie bei ihrer Cousine gesehen zu haben. McEwan stellt die Heldin seines Romans, Briony, mit jeder einzelnen Facette ihres Wesens vor: Der Leser erfährt von ihren Träumen, ihrem Sinn für Ordnung, ihrem liebenswerten Wesen, ihrer Gefallsucht. Aber auch in die Haut der anderen Beteiligten lässt McEwan seine Leser schlüpfen: durch Wiederholung einzelner Szenen, durch häufige Wechsel des Blickwinkels und Rückblenden. Die Handlung des ersten Teils des Romans scheint dadurch still zu stehen wie die Luft an dem von McEwan beschriebenen stickigen, heißen Tag; gleichzeitig knistert es spannungsgeladen – die so unterschiedliche Wahrnehmung und Auslegung derselben Situation gleicht der Vorankündigung eines heftigen Gewitters. Der Leser bekommt natürlich ein anderes Bild des Geschehens als Briony, er erkennt rasch, dass sich hinter dem schroffen, unbeholfenen Verhalten Cecilias und Robbies starke Zuneigung versteckt, er erahnt das intrigante Spiel der frühreifen Cousine, weiß von der Prüderie der verträumten Dreizehnjährigen. McEwan gehe es in seinen Romanen nicht darum, den Menschen beizubringen, wie sie leben sollen, sondern darum, ihnen zu zeigen, wie es wäre, jemand anders zu sein, erfuhr Kate Kellaway in ihrem Interview mit dem Autor. Das sei die Grundvoraussetzung für alle Sympathie und Empathie, für jedes Mitgefühl. In dem Maß, wie Briony die Hintergründe des Handelns anderer begreifen lernt, wachsen ihre qualvollen, einsamen Gewissensbisse. “Atonement”, wie der Roman im englischsprachigen Original heißt, lässt sich mit Abbitte, Buße übersetzen. Oder auch mit Versöhnung mit sich selbst, wie McEwan im Gespräch mit Kate Kellaway sagt. Ein wichtiges Thema, das sicherlich immer und immer wieder Raum in der Literatur finden sollte. Die Frage, ob allerdings gleich 534 Seiten dafür erforderlich sind, möge jeder Leser für sich beantworten. Ebenso die Frage, welches Publikum mit dieser wichtigen Botschaft erreicht werden könnte und welches tatsächlich erreicht wird, wenn man die Geschichte in der vertrockneten Upper Class-Atmosphäre eines englischen Landsitzes kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs aufrollt. Martina Morawietz (Köln)