Zum Buch:
Drei Männer geraten auf Alexander Island in der Antarktis von einer Sekunde auf die andere in ein Unwetter – mit tragischem Ausgang. Wie lebt man nach einem solch einschneidenden Geschehen, wohin mit den Erinnerungen, was tun, wenn man dabei die Fähigkeit zu sprechen verliert? Es geschieht an einem ihrer letzten drei Tage auf Station K bei einem Freizeitausflug zum Lopez-Sund. Die Männer haben sich am Ufer auf Sichtweite voneinander entfernt, Thomas Myers, einer der beiden Geoinformationswissenschaftler, ist auf das Meereis hinausgegangen, um den optimalen Standort für eine Fotografie zu finden, die die Dimensionen dieser unglaublichen Landschaft sichtbar macht; Doc Wright, der Expeditionsleiter, hat sich mit einem der Motorschlitten zum Priestley Head begeben, um auf der Steilklippe Position für das Foto zu beziehen. Luke Adebayo, der bei dem zweiten Schlitten geblieben ist, nimmt als erster im brüllenden Sturm Funkkontakt auf, er bekommt keine Antwort.
Als am Tag darauf Wrights Ehefrau angerufen und nach Santiago de Chile gebeten wird – ihr Mann habe auf der Expedition einen leichten Schlaganfall erlitten – ahnt Anna, dass ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt wird. Robert Wrights Sprachzentrum ist vom Schlaganfall massiv geschädigt, sein Erinnerungsvermögen ebenso.
Annas Karriere als Professorin ist damit beendet. Nach Roberts Entlassung aus dem Krankenhaus bieten professionelle Pflege und logopädische Betreuung nur wenige Wochen minimale Unterstützung. Die Logopädin vermittelt Robert und Anna aber an eine experimentelle Sprachtherapiegruppe, in der alle Möglichkeiten zur Verständigung genutzt werden – Emojis, aufgezogen auf Pappe, zur Beschreibung der aktuelle Stimmungslage, Gesang, Tanz, Pantomime. Im Lauf dieser Gruppenarbeit kehren Teile von Roberts Sprach- und Erinnerungsvermögen zurück.
McGregor lässt Leserinnen und Leser in den brutalen Sturm und das Erleben der Männer ebenso tief eintauchen wie in den Alltag von Anna und Robert Wright nach dem Schlaganfall. Beide Situationen werden als gleich bedrohlich erlebt, ein Ausweichen ist unmöglich. Wo sind die Grenzen zwischen notwendiger Hilfeleistung und Selbstgefährdung oder gar Selbstaufopferung? Ein großes Thema, ein literarisches Meisterstück der präzisen Beobachtung!
Susanne Rikl, München