Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Montandon, Alain

Der Kuss

Untertitel
Eine kleine Kulturgeschichte. Aus dem Französischen von Sonja Finck
Beschreibung

Der Kuss. Die Geschichte eines im hohen Maße kulturell geprägten Rituals, wunderbar einfallsreich und unterhaltsam erzählt von einem in Sachen Umgangsformen überaus bewanderten Kenner.

Verlag
Wagenbach Verlag, 2006
Format
Taschenbuch
Seiten
144 Seiten
ISBN/EAN
978-3-8031-2549-1
Preis
10,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Alain Montandon, geboren 1945, ist Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Blaise-Pascal in Clermont-Ferrand. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte der Höflichkeit, über europäische Umgangsformen und Lebenskunst veröffentlicht.

Zum Buch:

Im Jahre 1577 stellte sich der Italiener Francesco Patrizi die Frage, weshalb »das Aufeinanderpressen von Körperöffnungen, die jeglichen Geheimnisses entbehren und deren primärer Zweck die Nahrungsaufnahme und das Sprechen ist, Liebende in eine solche Ekstase versetzt, seien Gebiss und Hygiene auch mangelhaft.« Er schrieb darüber ein ganzes Buch.  

In meinem Brockhaus von 1955 findet sich unter dem Eintrag Kuss folgende staubige Definition: „Das Berühren eines Menschen oder eines Gegenstandes mit den Lippen als uraltes Zeichen der Liebe, Freundschaft, Ehrerbietung. Der Lippenkuss ist bei den meisten Völkern üblich, bei manchen (arktische, ozeanische) der Nasenkuss; wohl immer aber ist er ursprünglich als Austausch der im Atem vorgestellten Seele gedacht.“   Statistiker haben heute herausgefunden, daß an einem Zungenkuss mindestens 29 Muskeln, davon allein 17 Zungenmuskeln, 9 mg Wasser, 0,18 mg organische Substanzen, 0,7 mg Fett, 0,45 mg Salz, Hunderte von Bakterien und Millionen von Viren und Keimen beteiligt sind. Gut, so genau möchte man das dann eigentlich nicht wissen, oder?   Aber zum Glück ist da ja noch Alain Montandon, und der kennt sich in Sachen kulturgeschichtlicher Hintergründe bestimmter Umgangsformen bestens aus.    Wussten Sie zum Beispiel, dass der Brauch, das Glas zu erheben und sich gegenseitig zuzuprosten, ursprünglich aus der Spätantike stammt und als eine Art symbolischer Kuss galt; dass es im alten Ägypten nur ein einziges Wort für »essen« und »küssen« gab; dass in Russland Frischvermählte das Türschloss küssten, um den Bund der Ehe zu besiegeln, dass die kommunistische Führung in China einmal sogar in Betracht zog, die »vulgäre und gefährliche Handlung« des Küssens unter Strafe zu stellen? Aus eben diesem Grund haben chinesische Briefmarken keine Klebeflächen, dafür steht in jedem Postamt der hoch technisierten Volksrepublik ein einfacher Leimtopf zur Verfügung.   Ich könnte hier noch viele weitere Denk- und Merkwürdigkeiten aus dieser äußerst gelungenen Kulturgeschichte des Kusses aufzählen und hätte sicher viel Spaß dabei, aber das lasse ich natürlich bleiben, ich rate Ihnen vielmehr: Lesen und staunen Sie selbst.  Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln