Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Moritz, Karl Philipp

Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788

Untertitel
Mit einem Essay bereichert von Jan Röhnert und Fotografien von Alexander Paul Englert
Beschreibung

Vergessen Sie Goethe. Wenn Sie wissen wollen, wie es so war, im 18. Jahrhundert mit kleinem Budget in Italien auf Reisen zu sein, und das in der Regel zu Fuß, dann lesen Sie Karl Philipp Moritz. Obwohl zur selben Zeit wie der gute alte Goethe im Land unterwegs, kann man Moritz, ohne zu zögern als den unterhaltsameren Reiseschriftsteller bezeichnen. Er war quasi der erste schreibende Backpacker.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Die Andere Bibliothek, 2013
Format
Gebunden
Seiten
693 Seiten
ISBN/EAN
9783847703372
Preis
40,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Karl Philipp Moritz wurde 1756 in Hameln als Sohn eines Militärmusikers geboren. Nach abgebrochener Hutmacherlehre und einem Selbstmordversuch besuchte er das Gymnasium in Hannover. Nach vergeblichen Versuchen, Schauspieler zu werden, einem abgebrochenen Theologiestudium und einer kurzen Lehrtätigkeit in Potsdam erhielt er eine Stelle an einem Berliner Gymnasium. 1782 erfolgte eine erste Englandreise. 1786 gab er den Lehrdienst auf und reiste von 1786-88 durch Italien, wo es zu einer Freundschaft mit Goethe kam. Karl Philip Moritz starb 1793 in Berlin.

Zum Buch:

Der 337. Band aus der Reihe „Die Andere Bibliothek“ ist genau das, wofür diese Sammlung steht, nämlich für außergewöhnliche, ausgesucht gute Literatur; Texte, die kaum jemand kennt, die aber immer schon zeitlos waren. Nach all den Querelen der letzten Jahre kann man nur hoffen, die Reihe hat endlich wieder einen festen und beständigen Heimathafen gefunden und bleibt uns somit noch lange erhalten.

Dass der Autor von „Anton Reiser“ Karl Philipp Moritz heißt, das wusste ich zwar. Doch gelesen habe ich das Buch nicht. Was ich jedoch bisher nicht wusste, ist, dass Moritz zeitgleich mit Goethe in Italien war, ja dass die beiden sogar gut miteinander bekannt waren, obwohl zwei Menschen kaum unterschiedlicher hätten sein können. Wenn man nun Goethes „Italienische Reise“ mit einer Art DuMont-Kunstreiseführer vergleichen wollte, so käme man nicht umhin, Moritz` „Reisen eines Deutschen in Italien“ für eine frühe Form der Lonely-Planet-Reiseführer zu halten. Wohl auch deshalb, weil Moritz große Strecken zu Fuß bewältigen und, auch das im Gegensatz zu Goethe, jeden Taler gleich zweimal umdrehen musste. Und wo Goethe sich mit langatmigen und bis aufs I-Tüpfelchen ausgefeilten Beschreibungen von Fresken und herumliegenden Säulenbögen aufhält, erzählt Moritz eher aus der Hüfte heraus über seine ewigen Streitereien mit aufdringlichen Führern und lästigen Nippesverkäufern, die er sich vom Hals halten muss, von schlechtem Essen und gutem, aber billigem Wein, von brennenden Fußschmerzen und langen, viel zu heißen Nachmittagen in Mantua, in Rimini, Loretto und Neapel und natürlich in Rom, wo er sich bei einem Ausritt den Arm brach und lange Wochen in einem zweitklassigen, aber immerhin sauberen Zimmer daniederlag. Neben seinen Beschreibungen von Sitten und Gebräuchen lässt er es sich auch nicht nehmen, einen kritischen Blick auf seine Mitreisenden zu werfen, was mitunter sehr humorvoll geschieht, auch wenn das vielleicht gar nicht so gewollt war. Schließlich kommt dann auch Moritz nicht daran vorbei, sich über die ungeheuren Kunstschätze und antiken Bauten auszulassen, die ihm gerade in Rom auf jedem Schritt begegnen, doch gerät er dabei eben nicht in eine solch schwärmerische Ekstase, wie man sie bei Goethe kennt, und das macht das Ganze entsprechend angenehm lesbarer.

Moritz blieb zwei Jahre in Italien. Es ist ihm zu verdanken, dass uns heutigen Italienreisenden ein klares, ehrliches Bild davon vor Augen steht, wie es so vor über zweihundert Jahren war, in diesem schönen Land unterwegs zu sein, mit nichts als ein paar Ideen im Kopf und ansonsten mit leichtem Gepäck und wenig Geld in den Taschen. Keine Frage, dass man dabei in sehnsüchtiges, von Fernweh beseeltes Schwärmen gerät.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln