Zum Buch:
Traurig ist das. Sehr traurig. Da gibt es kein Drumherumreden. Und gleichzeitig öffnet es einem das Herz angesichts – und hier stellvertretend – ob solch ungezählten, unermesslichen Leids. Ein Tropfen in einem Ozean bitteren Leids.
August 1914. Sommerstimmung an der Adria. Es war ein schöner Urlaub. Wieder einmal, wie in den vergangenen Jahren auch. Trotz der beunruhigenden Meldungen. Sie hatten auf der Insel eine kleine Ferienwohnung gemietet, wieder dieselbe. Sie vergnügten sich beim Schwimmen und Segeln, aßen in der Pension Mathilde zu Mittag, trafen Bekannte, sahen ihren Kindern beim Spielen und Burgenbauen im Sand zu. Trotz des 25. Juli. Trotz Sarajevo.,Ultimatum, Kriegsausbruch und dem Sturm der Begeisterung. Hermann Pfeiffer war Arzt. Oberarzt. Und Reserveoffizier. Er war sich seiner Pflicht bewusst. Denn es hieß, Menschenleben zu retten. Am Ende des Sommers schiffte er sich mit seiner Familie auf dem Lloyddampfer „Baron Gautsch“ ein. In Richtung Triest.
Bereits kurz nach dem Ablegen wundert sich Pfeiffer, weshalb das Schiff so nahe an der Küste entlang fährt und noch dazu mit maximaler Geschwindigkeit, und nicht, wie das parallel entgegenkommende, unentwegt Signale sendende Schwesterschiff weiter draußen auf der offenen See fährt.
Ein ohrenbetäubender Knall lässt die Luft erzittern, in Minuten legt sich das Schiff zur Seite. Panik bricht aus. Dann Chaos. Alles ist verloren. Das Schiff sinkt wie ein Stein, Menschen schwimmen in dem auslaufenden Schweröl, treten und kämpfen ums Überleben. Hundertsiebenundvierzig ertrinken. Hermann Pfeiffer muss sich der Entscheidung seiner Frau beugen: Rette das Kind. Lass mich gehen.
Und dann diese zwei engbeschriebenen Schulhefte, die Hermann Pfeiffer vollschreibt, um seinem Sohn zu erklären, was damals geschehen ist und weshalb er die Hand der Mutter hatte loslassen müssen. Und weshalb er jetzt fort müsse, als Arzt an die Front, um Leben zu retten. Auch mit der Gewissheit, seinen Sohn vielleicht nie mehr wieder zu sehen.
Das ist die Geschichte. Zugegeben eine traurige. Eine von vielen traurigen. Eine Hinterlassenschaft. Die andere Seite inmitten einer Welle von Fach- und Sachbüchern, die sich in diesen Monaten mit dem Thema des Ersten Weltkriegs, des Großen Krieges, wie ihn die Franzosen und die Engländer bis heute nennen, beschäftigen. Sie sollten das lesen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln