Zum Buch:
Um 1970 waren spanische Möbelpacker, die Umzüge in ganz Westeuropa durchführen, in England, Frankreich und Deutschland eine ungewöhnliche Erscheinung, und wenn sie so attraktiv und lebenslustig waren wie Gabriel Delacruz, war ihnen Erfolg bei den Frauen gewiss, vor allem in einer Zeit, in der die sexuelle Revolution auf dem Höhepunkt und die Frauenemanzipation auf dem Vormarsch war. Dass dabei Nachwuchs entstehen konnte, war für den kinderlieben Spanier kein Problem; er freute sich, wenn die jeweilige Freundin eine Schwangerschaft ankündigte, und bat nur darum, das Kind, wenn es ein Junge würde, Christoph zu nennen. Ein paar Jahre lang besuchte er sie und das Kind, wann immer es seine Arbeit ermöglichte. Dann kam er nicht mehr – warum, wusste niemand. So kann’s kommen.
Viele Jahre später fällt der dreißigjährige Übersetzer Crìstofol aus Barcelona aus allen Wolken, als die Polizei erscheint und ihm mitteilt, dass sein Vater, der er seit 27 Jahren nicht mehr gesehen hat, offiziell als vermisst gemeldet ist und er sich bitte um dessen Wohnung und sonstige Hinterlassenschaften kümmern solle. Und er fällt fast in Ohnmacht, als er beim Ausräumen der Wohnung auf Dokumente stößt, aus denen hervorgeht, dass er in drei europäischen Städten Brüder hat, die alle auch noch den gleichen Vornamen tragen: in London Christopher, in Paris Christophe und in Frankfurt Christof. Er setzt sich mit ihnen in Verbindung, und die vier Christophs versuchen gemeinsam, die Geschichte ihres Vaters und seiner Beziehungen zu ihren vier Müttern zu rekonstruieren. Sie erzählen sich, wie ihre Mütter Gabriel kennenlernten, warum sie sich in ihn verliebten und wie es zu ihrer Zeugung kam. Sie berichten von ihren Erfahrungen als vaterlose Einzelkinder. Sie finden heraus, dass Gabriel Delacruz in Barcelona im Waisenhaus aufwuchs und später mit seinem besten Freund Bundó und seinem Kumpel Petroli als Möbelspediteur durch Westeuropa fuhr. Sie rekonstruieren anhand der Erinnerungen von Petroli und Gabriels Kalender die Reisen, erfahren, wie die drei bei jedem Umzug eine zufällig ausgewählte Kiste mitgehen ließen und die teilweise absurde Beute verteilten, lernen die Geschichte von Bundó, seiner unglücklichen Liebe und ihrem tragischen Ende kennen. Und nach und nach dämmert es ihnen, dass ihr Vater keineswegs, wie sie zunächst glauben, tot, sondern höchst lebendig ist – und dringend auf ihre Hilfe angewiesen …
„Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ ist ein irrwitziger Roman, der die Leser in einen Strudel hochkomischer und tieftragischer Ereignisse reißt, eine Tour de Force durch die spanische und europäische Geschichte und mit einem so lebendigen Personal ausgestattet, dass es sich quasi in den eigenen Alltag einschreibt. Ein reines Lesevergnügen und dringend zur Lektüre empfohlen.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main