Zum Buch:
Er ist bereit. Im hüfthohen Elefantengras stehend, späht er Richtung Osten, blinzelt den Sonnenglast fort, spürt, mehr als dass er es sieht, das Wabern der heißen Luft über der ausgetrockneten roten Erde in dieser Weite, dieser archaisch anmutenden afrikanischen Weite.
Doch John Hunter White ist erfahrener Jäger und im Privatleben gewiefter Spekulant und somit für Gefühlsduselei völlig unempfänglich. Im Gegenteil: Hier draußen zu sein, um Wild zu töten, kommt für ihn einer natürlichen Handlung gleich.
Zwei Jahre Vorbereitung und einen hohen, sechsstelligen Betrag für die Lizenz hat es gebraucht, um – nachdem er bereits Elefant, Löwe, Schwarzbüffel und Leopard erlegt hat – seine „Big Five“ vollenden zu können. Was ihm fehlt, ist ein Nashorn. In diesem Fall ein alter, männlicher Spitzmaulnashornbulle von rund drei Metern Länge, der ein Mindestgewicht von anderthalb Tonnen auf die Waage bringt. Sein Freund und Jagdgefährte Van Heeren hat das Tier ausgesucht und ihm, Hunter, über gewisse Hindernisse hinweg den Abschuss vermittelt.
Er ist also vorbereitet. Er weiß, dass diese Jagd, in dem Moment, da das Tier seinen Geruch wittert, vorbei sein oder, anders gesagt, der Jäger zum Gejagten wird. Denn Nashörner sind keine Fluchttiere. Sie greifen unverzüglich an. All das weiß er. Das ist das Gleichgewicht der Natur.
Doch als er und Van Heeren schließlich auf den Bullen stoßen, ist es bereits zu spät. Wilderer haben das Tier angeschossen und tödlich verletzt in der Wildnis sterben lassen. Hunter ist außer sich vor Enttäuschung und voller Zorn. Nicht allein deshalb, dass er um den Abschluss seiner Serie gebracht worden ist: Das profitbedingte Massenabschlachten von Tieren ist ihm ein tiefsitzendes Gräuel. Doch er weiß auch um die Doppelmoral seiner Einstellung. Er hadert mit sich.
Tage darauf, nachdem sie heimlich Einheimische bei der Jagd beobachtet haben, offeriert ihm sein Freund die Möglichkeit, die sogenannten „Big Six“ zum Abschluss zu bringen. Hunter ist zunächst sprachlos und winkt ab. Doch dann bedenkt er die einmalige Möglichkeit, ein Gleichgewicht wieder herzustellen, aufs Neue.
Ich komme nicht umhin zu behaupten, dass der Roman _Trophäe- der flämischen Autorin Gaea Schoeters absolut besonders ist, eine regelrechte Erfahrung. Ihre unaufdringliche Wortgewalt, die Besonderheit ihrer Charaktere, die knappgehaltenen, messerscharfen Dialoge, all das liest sich wie eine neue Stimme in der Literaturwelt, von der man unbedingt mehr hören möchte.
Axel Vits, Köln