Zum Buch:
Das Leben war unbeschwert und auf gewisse Weise vorhersagbar, als Selma Velleman am 7. Juni 1922 in Amsterdam geboren wurde. Und das trotz des wechselnden Wohlstands der jüdischen Familie, in der sie aufwuchs: der Vater war ein geschätzter Theaterschauspieler, der es leider von Zeit zu Zeit mit seinem Alkoholkonsum etwas übertrieb. Die verschiedenen Engagements, die ihn auf Bühnen im ganzen Land und durch halb Europa führten, sorgten dafür, dass die Familie selten länger als ein Jahr am selben Ort blieb, doch Selma liebte dieses Leben – und sie vergötterte ihren Vater.
Zwar veränderte die politische Lage diese eher unbeschwerte Zeit abrupt, als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 Belgien, Luxemburg und die Niederlande überrannte, doch sollte nichts die junge Frau auf das Kommende vorbereiten und nichts mehr so sein wie zuvor.
Obgleich sie keine praktizierenden Juden waren, identifizierten sich die Vellemans als jüdisch, und so waren auch sie von den immer neuen Schikanen nicht ausgenommen. Sie mussten sich registrieren lassen. Die Benutzung von Verkehrsmittel und öffentlicher Einrichtungen wurde ihnen untersagt, ebenso wie das Betreten von Restaurants, Theatern oder Schwimmbädern. Und bald schon mussten auch sie den Stern tragen.
Dass sie auf einmal anders war als ihr Mitmenschen, war für Selma ein Schock, aus dem sie erst in dem Moment herausfand, als die Welt, die um sie herum zu bröckeln begonnen hatte, komplett einstürzte. Männer und Frauen wurden nun wahllos auf der Straße aufgegriffen, die ersten Sammellager für die Transporte in die Vernichtungslager eingerichtet, ihr Vater, ihre Mutter und Schwester nach Auschwitz verschickt. Sie sollte sie nie wieder sehen.
Selma beschloss, etwas zu unternehmen. Sie schloss sich einer Widerstandorganisation an und versteckte sich. Sie färbte sich das Haar blond, änderte ihren Namen, unternahm lebensgefährliche Botengänge. Bis sie schließlich verraten und eines Morgens abgeführt wurde – und sich bald darauf in einem Viehwaggon in Richtung Ravensbrück wiederfand.
Mein Name ist Selma handelt vom Leben einer bemerkenswerten Frau, die sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ein faschistisches System zur Wehr setzte, die stürzte und doch immer wieder aufzustehen wusste. Die hier geschilderten Erlebnisse, die Selma van de Perre erst im hohen Alter zu Papier brachte, sind wertvolle Zeugnisse eines ungebrochenen Mutes, der dem Leser nur Respekt abverlangen kann. Und trotz aller Widrigkeiten, trotz der Fülle an Schmerz und Grauen gelingt es der Autorin, den Leser mit ihrer offenen, ungeschönten und dennoch einfühlsamen Art zu bannen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln