Zur Autorin/Zum Autor:
David Vann, 1966 auf Adak Island, Alaska, geboren, ist Professor an der University of San Francisco und schreibt u.a. für Esquire, The Sunday Times und Outside. Er lebt in Kalifornien.
Eine abgelegene Insel im Süden Alaskas. Vater und Sohn wollen ein ganzes Jahr allein in einer Hütte verbringen und dort in der Wildnis ihre Beziehung kitten. Da geschieht das Unfassbare … Eine Geschichte über Verlust und Scheitern, ein ergreifender, großartig geschriebener Roman.
Um es gleich vorwegzunehmen: ich halte dieses Buch für ein literarisches Glanzstück. Was der in Alaska geborene und aufgewachsene Autor David Vann da auf gerade mal 180 Seiten zustande bringt, das liest sich wie eines dieser besonderen Bücher, die man nie wieder vergisst, die man an gute Freunde empfiehlt, verschenkt oder (wenn es denn sein muss) ausleiht, die Art Bücher eben, die Gradmesser für jedes nächste sind. Hier die Geschichte.
Als das kleine Wasserflugzeug die abgelegene Bucht verlässt und schließlich hinter dem Fjord verschwindet, hatten sie mit dem Zodiac bereits alles Material hinüber zur Insel geschafft – die Jagdwaffen, die Angelausrüstung, Werkzeug und ein paar Kisten Lebensmittel. In der Hauptsache wollen sie sich von dem ernähren, was die Wildnis hergibt. Jetzt stehen sie vor der Holzhütte, in der sie ein volles Jahr verbringen wollen. Vater und Sohn. Allein in der Abgeschiedenheit Südalaskas. Die Idee zu diesem Trip kam vom mehrmals geschiedenen Vater, der die Beziehung zu seinem nicht gerade begeisterten dreizehnjährigen Sohn Roy wieder auffrischen möchte. Kennt man, solche Geschichten. Denkt man.
Sie richten sich ein. Das Wetter scheint ganz gut zu werden. Sie gehen angeln. Jim, der Vater, ist voller Elan, er schlägt vor, eine Räucherkammer für die Lachse zu bauen, und hinter dem Haus könnten sie vielleicht auch eine kleine Pflanzung anlegen. Nachts jedoch hört Roy seinen Vater weinen, und es ist ihm peinlich. Bereits da muss Roy feststellen, dass sein Vater völlig unvorbereitet ist. Das Werkzeug ist kaum zu gebrauchen, die Samen für die Pflanzung hat Jim schlichtweg vergessen. Dann schlägt das Wetter um. Es regnet hart und ununterbrochen auf das Dach. Sie können nicht raus, halten sich an die Vorräte. Als es aufklart, gehen sie jagen. Als sie zurückkommen, müssen sie feststellen, dass ein Bär in der Hütte gewütet hat; die meisten Lebensmittel sind fort, der Rest kaum zu gebrauchen.
Man denkt, jetzt gleich muss der Knoten platzen und etwas unfassbar Schreckliches geschehen, und ja, so kommt es auch, aber auf das, was dann tatsächlich passiert, ist kein Leser vorbereitet. Ich habe die Stelle mindestens vier Mal gelesen, habe noch mal und noch mal zurückgeblättert, und das ist vielen so ergangen, mit denen ich mich über dieses Buch unterhalten habe. Man glaubt erst nicht, was man da liest, auch nicht nach dem vierten Mal.
David Vann hat einen großartigen Roman geschrieben, ein Buch über das Scheitern und den Verlust von Liebe und Zugehörigkeit. Von diesem Autor wird man hoffentlich bald noch mehr hören.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln