Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Westö, Kjell

Das Trugbild

Untertitel
Roman. Aus dem Finnlandschwedischen von Paul Berf
Beschreibung

Wie gut, dass Finnland 2014 Gastland der Frankfurter Buchmesse war – sonst wäre mir nie deutlich geworden, wie wenig ich über dieses Land und seine Geschichte weiß. Und wie gut, dass es kluge und unterhaltsame Romane gibt, die helfen, dieses Defizit etwas zu verringern. „Das Trugbild“ von Kjell Westö, der der schwedischsprachigen Minderheit angehört, ist die Geschichte des vierzigjährigen liberalen Rechtsanwalts Thune, der gerade von seiner Ehefrau verlassen wurde, und seiner tüchtigen, kühlen Sekretärin Matilda Wiik, die ein verstörendes Geheimnis in sich trägt. Aber es ist auch die Geschichte einer gespaltenen Gesellschaft, in die zunehmend nationalistisches und faschistisches Gedankengut Einzug hält. Die Verknüpfung dieser beiden Stränge auf spannende und gut lesbare Art macht „Das Trugbild“ zu einer sehr empfehlenswerten Lektüre.
(ausführliche Besprechung unten))

Verlag
btb Verlag, 2014
Format
Gebunden
Seiten
416 Seiten
ISBN/EAN
9783442754311
Preis
19,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Kjell Westö ist einer der bekanntesten finnlandschwedischen Autoren der jüngeren Generation, geboren 1961 in Helsinki, wo er heute noch lebt. Seit seinem literarischen Debüt 1986 hat er drei Gedichtsammlungen, mehrere Bände mit Erzählungen und vier Romane veröffentlicht. Kjell Westö wurde mit zahrleichen Literaturpreisen ausgezeichnet.

Zum Buch:

Finnland ist in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein gespaltenes Land. Ewig Spielball zwischen Schweden und Russland, wurde es erst 1917 als eigenständiger Staat gegründet. Im Jahr darauf bricht ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der prokommunistisch gesinnten Arbeiterschaft und der konservativ-nationalistischen Bürgerschaft aus, den die Konservativen nur mit deutscher Hilfe gewannen und in dem Tausende von „Roten“ in Lagern interniert und damit Hunger und Seuchen ausgeliefert wurden. Dieser bis heute nicht verheilte Riss in der finnischen Gesellschaft bildet den Hintergrund für den Roman „Das Trugbild“.

Rechtsanwald Thune, Angehöriger der schwedischen Minderheit in Helsingfors, zählt zu den Männern, die eher blass und unauffällig durchs Leben gehen. Seine Frau hat ihn vor kurzem für einen seiner Freunde verlassen, seine Praxis führt er ziemlich nachlässig und seinem Leben fehlen gleichermaßen Richtung und Sinn. Die politische Stimmung im Land, den erstarkenden Nationalismus und die wachsende Sympathie für Hitlerdeutschland beobachtet er mit Sorge. Einzige Unterbrechung in seinem ereignislosen Leben ist der „Mittwochsclub“, ein regelmäßiges Treffen alter und neuerer (männlicher) Freunde – Ärzte, Künstler, Unternehmer. Man trinkt, redet und politisiert. Aber auch hier zeigen sich Veränderungen. Thune ist mit seiner liberalen Gesinnung zunehmend alleine und beobachtet mit Verblüffung und Irritation, dass einige seiner Freunde mehr und mehr rassistischem und faschistischem Gedankengut anhängen.

Je mehr er das Gefühl hat, sein Leben verliere an Kontur, umso wichtiger wird ihm Matilda Wiik, die seit kurzem als Sekretärin für ihn arbeitet. Sie ist das ordnende Prinzip in seiner Kanzlei, sorgt freundlich und charmant, aber auch kühl und unnahbar für den reibungslosen Ablauf und übernimmt immer weiterreichende Aufgaben. Sie ist die zweite Hauptperson des Romans. Mal als Frau Wiik, mal als Matilda oder Fräulein Milja bezeichnet, hat ihre Persönlichkeit viele Facetten und – wie sich nach und nach herausstellt – hütet sie ein verstörendes Geheimnis. Eines Abends, als der „Mittwochsclub“ in Thunes Kanzlei tagt, hört Frau Wiik eine männliche Stimme, die sie an die schlimmste Zeit in ihrem Leben erinnert.

Es ist die Stärke des Romans, dass er persönliche Geschichten und gesellschaftliches Klima geschickt miteinander verschränkt. Nichts findet nur auf einer Ebene statt. Welche Erfahrung eine Person macht und welche Schlüsse sie daraus zieht, wie sie handelt und fühlt, das wird jeweils individuell und gesellschaftlich begründet. Der Autor lässt sich bei der Entwicklung der Handlung Zeit, und doch entwickelt die Geschichte einen heftigen Sog. Man verfolgt gebannt, wie sich eine Gruppe Intellektueller vom aufkommenden Faschismus faszinieren lässt und wie diese Faszination ihr Verhältnis zueinander verändert. Wie nicht aufgearbeitete Gewalt neue Gewalt erzeugt. Und dass Westö das Geheimnis um Frau Wiik erst auf den letzten Seiten enthüllt, gibt der Geschichte zusätzliche Spannung.

autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt