Zum Buch:
Das neue Buch des Pulitzer Preisträgers ist im Kern ein kurzweiliger Gangsterroman, angesiedelt im Harlem der 60er Jahre. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der versucht, so ehrlich wie möglich den gesellschaftlichen Aufstieg zu schaffen.
Für seine Nachbarn und Kunden auf der 125th ist Ray Carney ein aufrichtiger Möbelhändler, der sich durch Fleiß aus der unteren Schicht der Gesellschaft hochgearbeitet hat, ein fürsorglicher Ehemann und Vater. Nur für seine versnobbten Schwiegereltern aus der schwarzen Oberschicht bleibt er der Emporkömmling mit fragwürdigem Familienhintergrund. Tatsächlich bekommt Rays Rechtschaffenheit kleine Risse, als die Geschäfte nicht so gut laufen, gerade jetzt, wo das zweite Kind unterwegs ist und die Familie dringend aus der beengten Wohnung umziehen müsste. Um sein Einkommen aufzubessern, vertickt Ray gelegentlich Hehlerware für seinen Cousin Freddy. Für Ray ist das kein moralisches Problem, er fragt nicht, wo die Ware herkommt, gibt sie weiter an diskrete Händler und kassiert seinen Anteil. Als Freddy allerdings mit einer Gruppe von harten Ganoven bei ihm aufkreuzt und ihm von einem geplanten Raubüberfall auf das Theresa Hotel, dem Waldorf von Harlem, berichtet, bei dem Ray das Diebesgut verhökern soll, muss er sich entscheiden: Anständig bleiben, Nein sagen und auf den Anteil verzichten oder das Risiko eingehen und kassieren. Aus Verpflichtung gegenüber seinem Cousin und auch aus Angst vor den Ganoven erklärt sich Ray bereit, die heiße Ware zu übernehmen. Doch dazu kommt es nicht, denn bei dem Überfall geht einiges schief, am Ende gibt es zwei Leichen. Um seine und Freddys Haut zu retten, muss Ray fortan neue Kunden bedienen: korrupte Cops, rachsüchtige Gangster und zwielichtige Geschäftsmänner mit guten politischen Verbindungen. Je mehr Schmiergeld fließt, je mehr Informationen in Hinterzimmern gehandelt werden, umso besser begreift Ray, wer die Stadt eigentlich regiert. Ray wird Teil dieser Parallelwelt und nutzt das Wissen für seinen privaten und geschäftlichen Aufstieg. So beginnt in Ray der innere Zwist zwischen Ray dem rechtschaffenen Geschäftsmann (the striver) und Ray dem Gangster (das, was schon sein Vater war: the crook), ein zunehmend gefährliches Doppelleben, das er mit allen Mitteln vor seiner Familie zu verbergen sucht. Welchen Preis wird Ray zahlen müssen, um diesem Dilemma wieder zu entkommen? Wer wird am Ende siegen?
Harlem Shuffle erzählt die Geschichte eines Mannes, der die Fesseln seiner Herkunft abzustreifen versucht, eine Familiengeschichte im Mantel eines spannenden Gangsterromans vor dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen der 60er Jahre. Die Aufstände gegen Segregation, alltäglichen Rassismus, Korruption und Gentrifizierung sind die zentralen Themen, heute wieder ganz aktuell. Die Charaktere sind authentisch. Whitehead zeichnet keine Stereotype und bedient sich keiner Sozialromantik – eine Liebeserklärung an Harlem und seine Bewohner.
Andrea Schulz, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt