Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Reichlin, Linus

In einem anderen Leben

Untertitel
Roman
Beschreibung

In Luis‘ Kindheit fanden alle, seine Eltern sähen aus wie das Glamourpaar Richard Burton und Elisabeth Taylor. Leider benahmen sie sich auch so. Zuviel Alkohol und mörderische Streitereien bestimmen den Alltag der jungen Eltern. Luis lernt früh, zu fliehen und seine Gefühle zu verbergen. Bis es zur Katastrophe kommt. Der Vater vertrinkt seine gutgehende Zahnarztpraxis, und die Mutter sitzt nach einem Autounfall leblos im Rollstuhl. Ihre einzige Verbindung zum Leben scheint eine kleine holländische Landschaft aus dem 18. Jahrhundert zu sein, ein Bild, das sie mit Hingabe betrachtet. Als der Vater das Bild abhängt und verkaufen will, kollabiert die Mutter. Luis, der ein großes Talent zum Abmalen, jedoch keinerlei kreative Ambitionen hat, kopiert das Bild so gut, dass die Mutter wieder ruhig wird.

Jahre später – Luis ist ein Meister der Verdrängung geworden der glaubt, die Gespenster der Vergangenheit gezähmt zu haben – sieht er in einer Berliner Galerie das Bild, das er für seine Mutter gefälscht hat. Er gerät in einen Strudel der Gefühle und merkt, dass ihn nur eines retten kann: er muss sich seinen Erinnerungen stellen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Galiani Berlin, 2015
Format
Gebunden
Seiten
384 Seiten
ISBN/EAN
9783869711041
Preis
19,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Linus Reichlin, geboren 1957, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Sein in mehrere Sprachen übersetzter erster Roman Die Sehnsucht der Atome stand monatelang auf der Krimi-Welt-Bestenliste und wurde mit dem Deutschen Krimi-Preis 2009 ausgezeichnet sowie für den Friedrich-Glauser-Preis als bester Debütroman nominiert. Sein zweiter Roman, Der Assistent der Sterne (KiWi 1169) wurde zum “Wissenschaftsbuch des Jahres (Sparte Unterhaltung)” gewählt.

Zum Buch:

In Luis‘ Kindheit fanden alle, seine Eltern sähen aus wie das Glamourpaar Richard Burton und Elisabeth Taylor. Leider benahmen sie sich auch so. Zuviel Alkohol und mörderische Streitereien bestimmen den Alltag der jungen Eltern. Luis lernt früh, zu fliehen und seine Gefühle zu verbergen. Bis es zur Katastrophe kommt. Der Vater vertrinkt seine gutgehende Zahnarztpraxis und die Mutter sitzt nach einem Autounfall leblos im Rollstuhl. Ihre einzige Verbindung zum Leben scheint ein eine kleine holländische Landschaft aus dem 18. Jahrhundert zu sein, die sie mit Hingabe betrachtet. Als der Vater das Bild abhängt und verkaufen will, kollabiert die Mutter. Der junge Mann, der ein großes Talent zum Abmalen, jedoch keinerlei kreative Ambitionen hat, versucht, so lange er das Bild noch vor Augen hat, eine Kopie herzustellen, die ihm zumindest so gut gelingt, dass die Mutter wieder ruhig wird. Nachdem der Vater ungerührt auch noch droht, die Kopie zu verkaufen, und die Mutter erneut außer sich gerät, flüchtet Luis, zieht zu seiner Jugendfreundin und bricht vollständig mit seinen Eltern.

In den nächsten Jahren treibt er durchs Leben. Er verliebt sich halbherzig und nimmt das Scheitern der Beziehungen fast ungerührt hin. Bis er, inzwischen fast vierzig Jahre alt, Nora kennenlernt. Mit ihr, die ebenfalls in ihrem Elternhaus keinen Schutz fand, ist es ihm ernst, von ihr fühlt er sich verstanden. Dann sieht er eines Tages im Fenster einer Galerie das kleine Landschaftsbild und ist sicher – es ist seine Kopie. Als Nora ungeplant schwanger wird gerät sein Leben erneut ins Wanken.

Mehr sei hier nicht verraten – Linus Reichlin ist Autor mehrerer erfolgreicher Kriminalromane und weiß, wie man Spannung erzeugt. Aber das Buch geht über reine Spannungslektüre hinaus. Der Stil des Textes ändert sich im Laufe der Geschichte mit dem Erzähler, vom naiven Kind über den weitgehend selbstbezogenen Jugendlichen hin zur zunehmenden Selbstreflexion des Erwachsenen. Der Leser nimmt so an der Entwicklung eines Jungen teil, der langsam lernt, seine Empfindungen zu verstecken, zu einem Mann, der das Verstecken in perfekte Verdrängung umgewandelt hat.

„In einem anderen Leben“ ist trotz der tragischen Geschichte ein flott geschriebenes, witziges Buch, das konsequent die Sicht seines männlichen Protagonisten einnimmt. Hinreißend sind die Passagen, in denen Luis fassungslos zusehen muss, wie seine Liebe Nora, die spritzige, leuchtende junge Frau durch Schwangerschaftskomplikationen zu einem trägen Wesen mutiert, das seine Tage in flauschigen Freizeitanzügen auf dem Sofa verbringt. Dabei nicht ins Diffamierende zu verfallen und keine der handelnden Personen zu verraten, ist schon eine Kunst! Genau wie die Doppelbödigkeit, die den Text trotz aller Leichtigkeit nie oberflächlich werden lässt.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt