Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Ziegler, Ulf Erdmann

Nichts Weisses

Untertitel
Roman
Beschreibung

Auf der Shortlist
Ein Bildungsroman über eine junge Frau, die schon als Kind eine Leidenschaft für Typographie entwickelt und deren Lebensziel die Entwicklung einer neuen Schrift ist. Aber auch ein Buch, in dem die Modernisierung Westdeutschlands mit ihren Um- und Abwegen von den 1960er bis 1980er Jahren deutlich wird. Und schließlich ein Buch, das eine Branche vorstellt, die schon früh einen radikalen Umbruch durch Digitalisierung erlebt hat.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp, 2012
Format
Gebunden
Seiten
259 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-42326-4
Preis
19,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Ulf Erdmann Ziegler, geboren 1959 in Neumünster/Holstein. Kunstkritische Arbeiten und Essays für taz, Die Zeit, FAZ, Merkur und Monopol. Er lebt in Frankfurt am Main.

Zum Buch:

Ein Bildungsroman über eine junge Frau, die schon als Kind eine Leidenschaft für Typographie entwickelt und deren Lebensziel die Entwicklung einer neuen Schrift ist. Aber auch ein Buch, in dem die Modernisierung Westdeutschlands mit ihren Um- und Abwegen von den 1960er bis 1980er Jahren deutlich wird. Und schließlich ein Buch, das eine Branche vorstellt, die schon früh einen radikalen Umbruch durch Digitalisierung erlebt hat.

Die Vorstellung, dass jeder mit dem Computer eine beliebige Schrift in beliebiger Größe, auch fett oder kursiv, zur Verfügung hat, ohne Fachkenntnisse zu besitzen, entsetzt die Hauptfigur Marleen, die es ziemlich weit gebracht hat und als Assistentin eines bekannten Schriftentwicklers mit einem großen Büromaschinenhersteller in New York verhandelt. Als Leserin ist das gut nachvollziehbar, wenn man Marleens Weg aus dem Neusser Elternhaus über ein Gestaltungsstudium in Kassel, ein Praktikum bei einer Druckerei in Nördlingen (hier gibt es pseudonyme Gastauftritte von Franz Greno und Enzensberger) bis zu der Stelle bei dem Schriftentwickler in Paris verfolgt, der sie schließlich nach New York bringt.

Rückblicke in Marleens Kindheit und Jugend geben dazu Einblick in die westdeutsche Mentalitätsgeschichte. Vater und Mutter sind Werber in Düsseldorf, modern und liberal. Trotzdem findet sich die Mutter nach der Geburt der Kinder abgehängt von der Agentur in einem Atelier im Vorort-Architekten-Haus wieder, wo sie dann aber die erste Webekampagne für so unerhörte Dinge wie Tampons entwirft. Als Belohnung gibt es von der Agentur einen Weihnachtsurlaub in Miami, Jahre bevor diese Stadt durch eine Fernsehserie hierzulande bekannt geworden ist. Neben diesen avantgardistischen Tendenzen stehen spirituelle: der traditionelle rheinische Katholizismus spielt genauso eine Rolle wie Poona, wo Marleens Vater für Baghwan nicht nur das Marketing macht.

Am Ende schafft es Marleen, nicht zuletzt durch Unterstützung von Freunden, als alleinerziehende Mutter ihren Traum zu verwirklichen und eine neue Schrift zu entwickeln – mit Hilfe der neuen Computertechnik und anders, als sie es sich ursprünglich vorgestellt hatte.

Nicole Eckert, ROSTA Buchladen, Münster