Zum Buch:
Der Kubaner Leonel Cala hat von 1976 bis 1986 in der DDR gelebt. Zuerst als Lehrling für drei Jahre in Zeitz, dann nach seiner Rückkehr von einem Heimaturlaub in Kuba als Dolmetscher bei den großen Chemie-Werken in Leuna. In sehr persönlicher und einfacher Sprache schildert er seine dortigen Erlebnisse im Bereich der Arbeit, seiner Freizeit und vor allem seiner zahlreichen Beziehungen. Dabei wird ein gutes Stück DDR-Alltag aus der Sicht eines Kubaners erfahrbar. Dazu gehörten negative Erlebnisse, wie z.B. an manchen Stellen latenter oder offener Rassismus, aber andererseits auch viele sehr positive Erfahrungen wie Verlässlichkeit, gute Freundschaften und eine insgesamt relativ entspannte Atmosphäre. Die Schilderungen des Autors sind angenehm offen, informativ und ideologisch völlig unaufgeregt. Sie bleiben jedoch weitgehend auf den persönlichen Bereich beschränkt. Schilderungen über Politik oder politische Zusammenhänge bleiben fast gänzlich außen vor, im Gegenteil bekommt man den Eindruck, dass die politischen Anlässe, bei denen Cala übersetzen musste, ihm offensichtlich eher unangenehm und langweilig waren.
Abgeschlossen wird dieser trotzdem ungemein aufschlussreiche Band erzählender Testimonialliteratur von einem Nachwort von Wolfram Adolphi, in dem er die Erlebnisse Calas kurz in den historischen Kontext der damaligen DDR-Realität setzt.
Da es über diesen Aspekt der DDR-Geschichte bislang kaum Veröffentlichungen gibt ganz zu schweigen von ausführlichen wissenschaftlichen Untersuchungen – ist das Buch gewiss ein wichtiges, wenn auch noch recht unvollständiges Mosaiksteinchen auf dem Weg zu einer fairen Aufarbeitung eines Teils der deutschen Geschichte. Darüber hinaus gibt es einen hochinteressanten Einblick in die Art und Weise, wie Kubaner sich selbst und ihre kulturelle Identität während ihres Aufenthalts als Vertragsarbeiter hier in Deutschland gesehen haben. Unbedingt empfehlenswert!
Klaus Brieskorn (Bücher zu Lateinamerika)