Zum Buch:
Die vorliegende Arbeit des Ordinarius für Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Zürich greift ein sehr komplexes Thema auf. Es behandelt die europäische Sicht auf die Neue Welt (wobei hier nicht nur das südliche Amerika gemeint ist) nach dem die Berichte der Entdecker allmählich durch mehr literarische, philosophische Abhandlungen und Reiseberichte abgelöst wurden. Der Gegenstand seiner Untersuchung ist das wilde Subjekt, der Wilde, der in dieser Zeit immer häufiger zu einer Figur der europäischen Literatur wird. Kiening erläutert in diesem Zusammenhang die vieldeutigen Begriffe Alternität und Mimesis. Er untersucht exemplarisch anhand von drei Berichten wie die Eroberer jetzt von ihrem schwierigen Leben und ihrer harten Arbeit berichten, die sie als die neuen Herren nun erleiden müssen. In dem Kapitel über die Kannibalen wird von den ehemals gefangenen Berichterstattern (u. a. Hans Staden) sogar Verständnis für deren Praxis signalisiert. Der Wilde wird in diesen Beschreibungen zum Subjekt, das mit Verständnis für seine kulturellen Umwelt beschrieben wird. Weitere Themenschwerpunkte sind die Wunderdinge und die utopischen Inseln. Von zentraler Bedeutung sind die vielen Erzählungen und literarischen Behandlung des Schiffbruchs. Kiening dokumentiert den Einbruch des Imaginären, Uneindeutigen, Utopischen, das nicht mehr als das Fremde oder Eigene eindeutig zu Bestimmende in den für die Untersuchung benutzten Werken. Die Leserinnen und Leser erwartet keine leicht konsumierbare Kost, am Ende aber stehen neue und aufregende Einsichten.
Klaus Küpper (Bücher zu Lateinamerika)